Analog 2
wirklich real?“
„Ja und nein. Darum kümmert sich Mr. Jones. Außergewöhnliche Situation. Hauptsächlich deinetwegen, nehme ich an.“
„Da wir gerade vom Teufel sprechen, wo …“
„Pssst!“ sagte Miller nervös. „Hier unten mußt du deine Worte auf die Goldwaage legen.“
„Ah, natürlich. Nun denn, wo ist denn dieser Mr. Jones?“
Eine Gestalt materialisierte vor der Richterbank. Das Wesen schien etwa mannsgroß zu sein. Aber es war ganz offensichtlich kein Mensch. Sein Gesicht war schuppig, der Mund hatte harte Kanten. Es trug eine lange, purpurrote Tunika. Klauen ragten aus den Ärmeln heraus, und unter dem Saum konnte man einen Schwanz erkennen.
„Alles aufstehen“, proklamierte der Neuankömmling. „Dieses ehrbare Gericht ist hiermit zusammengetreten. Den Vorsitz führt Ihre Erhabene Majestät, Richter Jones. Alle, die hier versammelt sind, werden um ihre Aufmerksamkeit gebeten.“
„Ich schätze, das ist der Gerichtsdiener“, wisperte Quentin Thomas.
„Hä? Aber nein, Quent, das ist Mr. Jones.“
„Aber …“
Der „Gerichtsdiener“ verschwand.
Eine sitzende Gestalt erschien hinter der Richterbank. Es war dieselbe Kreatur, jetzt war sie in eine Richterrobe gekleidet.
„Du siehst“, flüsterte Carlton Miller, „es ist immer noch Mr. Jones. Er ist auch der Richter.“
Hm, dachte der Anwalt. Ich habe das Gefühl, als würde das noch zu einer ganzen Reihe von Verwirrungen führen. Welche anderen Rollen wird Richter Jones wohl noch spielen?
Der Richter blätterte ein paar Papiere auf seinem Tisch durch. „Der zu verhandelnde Fall“, sagte er, „ist Jones gegen Miller . Exmission . Der Angeklagte hat zu beweisen, warum er nicht vertrieben werden sollte. Die Verteidigung hat das Wort.“
Die Stimme klang sanft und wunderbar moduliert. Fast Oxfordenglisch, dachte Thomas.
Der Anwalt erhob sich. „Euer Ehren“, begann er langsam. „Quentin Thomas, Anwalt des Angeklagten Carlton Miller. Dürfte ich dem Gericht ein paar einleitende Fragen stellen?“
Der Richter sah auf ihn herab. Flammen züngelten hinter seinen Augen, die harten Linien seines Mundes schienen fast zu lächeln. „Innerhalb eines vernünftigen Rahmens, ja, Mr. Thomas.“
„Wenn es uns nicht gelingen sollte, Gründe für das Verbleiben des Angeklagten zusammenzutragen, hat das Gericht dann tatsächlich die Macht, meinen Klienten zu vertreiben?“
„Diese Macht hat das Gericht, Mr. Thomas.“
„Und dürfen wir weiterhin davon ausgehen, Euer Ehren, daß dieses Gericht, sollte es sich dafür entscheiden, dem Angeklagten freien Zugang und Aufenthalt, ohne zeitliche Begrenzung, zum brennenden Meer gewähren kann, auf immer und ewig?“
„Davon dürfen Sie ausgehen, Verteidiger“, sagte Richter Jones.
Der Anwalt schwieg einen Augenblick. Er wollte Mr. Jones noch eine weitere Frage stellen. Er wollte „für die Aufzeichnung“ eindeutig klarstellen, wer Richter Jones war. „Wer …“
„Fragen Sie nicht“, bat ihn der Richter ernst.
Thomas war verblüfft. Konnte der Richter ihre Gedanken lesen? Und wenn er das konnte, was kam noch alles dazu? Kannte er bereits den Ausgang dieser Verhandlung? Und wenn ja, warum ließ er es dann überhaupt durchführen? Sein Verstand raste. Es war vergeblich, solche Gedanken überhaupt zu haben. Er mußte einem Klienten helfen – wenn er konnte.
„Sind damit Ihre einleitenden Fragen erledigt, Mr. Thomas?“
„Ja, Euer Ehren.“
„Haben Sie ein Eröffnungsplädoyer parat?“
„Das habe ich, Euer Ehren.“
„Bitte fahren Sie fort.“
„Euer Ehren, in einer Nacht im vergangenen Juli nahm der Angeklagte ein Gewehr und erschoß kaltblütig seine Frau und deren Liebhaber, seinen Geschäftspartner Mr. Higgins. Und dann trat der Erfinder durch den Rahmen seiner H-TEK-Maschine. Und so kam er hier an, in … äh … in …“ Thomas suchte nach Worten.
„Wollen Sie sagen ‚in der Hölle’, Mr. Thomas?“ fragte der Richter sanft.
„Nun, ja, Euer Ehren. Mr. Miller fand sich hier in der … äh … Hölle wieder. Und er möchte hierbleiben.“
„Ein sehr ungewöhnlicher Wunsch“, murmelte Richter Jones.
„Ja, Euer Ehren. Aber das ist noch nicht alles. Er möchte den alleinigen Zugang zum Meeresufer.“
„Er mag keine Gesellschaft?“
„Nein, Euer Ehren, das mag er nicht. Er möchte, daß Mr. Higgins verschwindet. Er empfindet Mr. Higgins’ Anwesenheit als ungerechte und grausame Strafe, die weit über das Strafmaß für Mr. Millers Verbrechen
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