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Analog 3

Analog 3

Titel: Analog 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Chromosomenstruktur nicht wissen. Wir haben noch ein langes Studium vor uns, bis wir endlich die zugrunde liegenden Prinzipien zu verstehen beginnen. Aber mit unseren vorläufigen, groben Methoden konnten wir doch schon einige grundlegende Aspekte des Musters erkennen.
    Wir haben das Tuch untersucht und ausreichend Daten er mittelt, die es uns ermöglichen, die Chromosomenstruktur des Toten mit einer fünfundneunzigprozentigen Wahrscheinlichkeit zu bestimmen. Wir analysierten dann das Muster in ausführlicher Weise. Mit fast vollständiger Gewißheit können wir sagen, daß der Mann, dessen Leichentuch in Ihrem unterirdischen Tresorraum liegt, ein Semit war. Mit einer Ausnahme nur korreliert das Chromosomenmuster positiv mit dem von heute lebenden Menschen semitischer Herkunft.“
    „Ausnahme?“ fragte der Primus in einer plötzlich sehr angespannten Verfassung. „Haben Sie einen Beweis dafür, daß es sich nicht um einen sterblichen Menschen gehandelt haben könnte?“
    „Nicht direkt, Hochwürden.“
    „Rücken Sie heraus damit, Mann! War es unser Herr oder nicht?“
    „Nein, Hochwürden, er konnte es kaum sein. Nur die bloße Idee wäre grotesk, undenkbar.“
    „Lassen Sie nur meine Sorge sein, was denkbar und nicht denkbar ist, Doktor. Was haben sie entdeckt?“
    „Das Chromosomenmuster, Hochwürden: In einigen seiner Peptidketten konnten Deformationen festgestellt werden. Es hat uns viel Zeit gekostet, sie zu identifizieren; noch länger hat dann die Überprüfung unserer Schlußfolgerungen gedauert. Die Auswirkungen auf Ihren Orden sind allerdings so weitreichend, daß ich die gesamten Untersuchungen sechsmal in voneinander getrennten Durchgängen vorgenommen habe. Ein Fehler ist nunmehr ausgeschlossen.
    Der Mann, der in dem Leichentuch gelegen hat, litt unter einem genetischen Fehler. Er hatte eine Krankheit, die wir unter dem Namen Kurusoku-Syndrom kennen.“
    „Wir sind keine Mediziner, Doktor Frakes“, sagte der Primus. Seine Stimme wurde gereizt. „Was heißt das auf Englisch?“
    „Das Kurusoku-Syndrom wurde erstmals Ende des letzten Jahrhunderts identifiziert. Es ist eine genetische Krankheit, die charakterisiert ist durch eine fortschreitende Verminderung der geistigen Fähigkeiten der von ihr befallenen Person durch eine wachsende Orientierungslosigkeit im Hinblick auf die Wirklichkeit. Falls man die Krankheit unbehandelt läßt, kann sie zum Wahn größten Ausmaßes führen. Wäre es bewiesen, daß die Reliquie tatsächlich das Leichentuch von Jesus Christus …
    … nun, ich denke, Sie stimmen mit mir darin überein, daß die Konsequenzen für die Christenheit katastrophal sein würden.“
     
    Zwanzig Minuten nachdem Alarm ausgelöst wurde, erschien der erste Ambulanzwagen vor der Kathedrale. Fast eine Stunde lang behandelten die Ärzte den Primus, bevor sie es wagten, ihn in die Herzabteilung des Hospitals „Unserer lieben Frau Fatima“ am Stadtrand von Turin zu fahren. Seine Chance, die kommende Nacht zu überleben, lag bei fünfzig Prozent. Als John Frakes die Treppen der Kathedrale zum wartenden Taxi hinunterschritt, zitterte er in dem kalten Nieselregen. Völlig benommen saß er im Inneren des Fahrzeuges. Die Augen des alten Mannes kurz vor seinem Herzanfall waren alles, woran er sich erinnern konnte. Dieser Blick, der ihn des Verrats bezichtigte, würde ihn bis an sein Lebensende verfolgen.
    Es war der gleiche Blick, der an jenem verhängnisvollen Weihnachtsabend vor so vielen Jahren auf dem Gesicht seines Vaters gefror. Es war der Blick, der ihn nun in seinen Träumen quälte.
    Er wußte, daß er noch über eine lange Zeit durch seine Träume spuken würde.

 
Edward A. Byers Taktik der Verzweiflung
     
    Weit drüben im Westen leuchteten die Wolken in der Sonne von Verde orange und karmesinrot auf. Zwanzig Grad nördlich vom Äquator war es am späten Nachmittag windig und warm. Mit einer Vorahnung bevorstehenden Unheils sah ich zu, wie die Pflanzen aus dem Sternentor purzelten und, ein Gewirr von Armen und Beinen, in dem tiefen Gras ausgestreckt hinfielen.
    „Das sind alle von ihnen“, sagte Oberst Shagata. Er stand da, stocksteif aufgerichtet, das graue Haar kurzgeschnitten, die Augen kalt funkelnd. Kein angenehmer Patron. Jemand, dem man nicht gerne in einer einsamen Gasse begegnen würde.
    Ich hatte die Pflanzen gezählt. Es waren dreißig: der berühmte Panther-Zug. Auf der Wiese unter dem Sternentor stapften sie wie Schlafwandler umher, ihre Bewegungen zeichneten sich

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