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Analog 6

Analog 6

Titel: Analog 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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daß jeder einzelne Rosaner über ein fotografisches Erinnerungsvermögen verfügt, soweit es sein eigenes Leben betrifft. Er würde sein gesamtes Leben dazu verwenden müssen, sich die Erinnerungen eines einzigen Elternteiles zurückzurufen.“
    Sorrel erhob sich. So wie sie ihn vorhin gezogen hatte, zog er nun Wandra hinter sich her. „Laß uns ein Stück gehen.“ Die allgemeine Richtung führte sie von der Stelle fort, an der das Krat erschienen war. „Da die Larve immer an ihren Schlupfort zurückkehrt, bewahrte man das Blut der Eltern für sie auf. Genetische Eltern und Bluteltern waren also, wie gesagt, identisch.
    Mit der Entwicklung der Tunnelbautechnik konnten die Rosaner ihre Wohnhöhlen erweitern. Von Wesen, die nur in der Nacht ihre Höhlen verließen, verwandelten sie sich in Tag-und-Nacht-Wesen, die ein unterirdisches Dasein führen. So machte ihre Entwicklung rasche Fortschritte. Nur der Vier-Eltern-Glaube stellte einen Hemmschuh dar. Da das Eier- und Larvenstadium drei Jahre dauerte, lagen die Erinnerungen von großen Wissenschaftlern und Philosophen während der Zeit, da man die Rückkehr ihrer Kinder erwartete, brach. In diesem Zeitraum leben und sterben Hunderte von Rosanergenerationen.“ Sorrels Stimme nahm einen bitteren Beiklang an. „Und hier brachte ich meine distanzierte, objektive Einsicht ins Spiel. Ich erfand eine bessere Methode. Wenn man nun ein anderes Elternpaar nimmt, eines, das gerade gestorben ist, wenn eine Larve heimkehrt, dann brauchen die Erinnerungen des Paares nicht jahrelang auf ihre Wiedererweckung zu warten. Nein, am nächsten Tag könnten sie bereits wieder zur Verfügung stehen.“ Sorrel zuckte die Achseln. „Die Rosaner selbst haben diese Möglichkeit einfach nie gesehen. Es würde mich nicht überraschen, wenn es einen Instinkt gab, der ihnen vorschrieb, daß die genetischen Eltern auch die Bluteltern sein müßten. Doch dieser Vier-Eltern-Glaube hatte seinen arterhaltenden Sinn verloren, den er in der Vorzeit einmal gehabt haben mochte. Mein Vorschlag gewann rasch eine starke Anhängerschaft. Da man die alte Vererbung, in der die beiden Elternteile zweimal auftraten, Vier-Eltern-Glaube genannt hatte, nannte man die neue Form, in der zwei neue Eltern dazukamen, Sechs-Eltern-Glaube, obwohl auf diese Form die Vier-Eltern-Bezeichnung eigentlich viel besser gepaßt hätte. Die religiösen Führer widersetzten sich dem Sechs-Eltern-Konzept natürlich heftig.“
    „Es kam zu einem Krieg?“
    Sorrel nickte. „Ein Krieg ist für die Rosaner nichts Alltägliches, denn es sind zu viele Generationen nötig, um auf diesem Weg eine Veränderung herbeizuführen. Meuchelmord und Hirnblutverbrennungen waren eine verbreitetere Methode. Doch wenn es einmal Krieg gibt, dann wird er so total geführt, wie wir ihn aus der menschlichen Tradition kennen.“ Ganz wie der Krieg, den wir mit den Lazarinern geführt haben, dachte er. „Der Sechserglaube hat natürlich gewonnen. Niemand im Universum kann es mit der Geschwindigkeit aufnehmen, mit der die Sechs-Eltern-Rosanerkultur in experimentellen Techniken wie der Waffenfertigung fortschreitet, denn niemand kann die Experimente in der rasenden Folge ausführen wie eine entschlossene Reihe von Rosanergenerationen.“
    „Daher sind wir also mit dem UL-Projekt hierher gekommen, damit es schnell durchgeführt wird.“
    „Ja.“ Sorrel schaute auf seine Uhr. „Übrigens, wenn du dich jetzt sehr beeilst, dann kommst du immer noch zu spät zu deinen Unterrichtsstunden.“
    Wandra warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr, drehte sich um und stürmte den Tunnel hinunter. Sorrel sah lachend hinter ihr her.
     
    Cal konnte sich niemals ihre Namen merken.
    Ihre Gesichter und Namen änderten sich, doch ihr Verstand blieb derselbe, denn jedesmal wenn ein Techniker im UL-Projekt starb, verfütterten die Blutwarte sein Hirnblut an die nächstbeste heimkehrende Larve. Es gab eine Klasse für Nachtspinner und eine Klasse für Tagspinner; die Verstandeseigenschaften in beiden Gruppen blieben konstant.
    Zu konstant. Tag für Tag beantwortete Cal die gleichen Fragen – scharfsinnige, einsichtige Fragen, doch immer die gleichen. Die Rosaner waren mit den Fakten schon vertraut, bevor sie den Vorlesungsraum betraten, sie hatten alle Bücher im voraus gelesen. Mit ihrem fotografischen Gedächtnis war das ein Kinderspiel. Ja, sie kannten die Fakten, aber es war eine andere Sache, die Fakten zu verstehen und mit ihnen umzugehen. Und Fakten, die nicht von

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