Anansi Boys
zu.
Fat Charlie wollte protestieren, wollte standhaft bleiben, aber unversehens sah er sich mit hineing e schoben, und er hasste sich dafür.
Er holte Spider auf der Treppe ein. »Ich werde mit reinkommen«, sagte er. »Aber ich werde nicht singen . «
»Du bist schon drin . «
»Ich weiß. Aber ich singe nicht.«
»Ergibt doch keinen Sinn, zu sagen, dass man nicht reingeht, wenn man schon dr i n ist.«
»Ich kann nicht sing e n.«
»Soll das heißen, dass ich a u ch das ganze musikalische Talent geerbt habe?«
»Das soll heißen, dass ich m i ch todsicher übergebe, wenn ich in der Öffentlichk e it den Mund z u m Singen aufmachen muss.«
Spider drückte ihm beruhigend den Arm. »Guck dir an, wie i c h es mache«, s a gte e r .
Das Geburtstagskind stolperte m it zwei seiner Freundinnen auf das kleine Podiu m , wo sie sich ge me insam durch den Song »Dancing Queen« kicherten. Fat Charlie trank einen Gin Tonic, den ihm j e mand in die Hand gedrückt hatte, und zuckte bei jedem Ton zusammen, den sie nicht trafen, bei jedem Tonartwechsel, der nicht stattfand. Es gab stür m ischen Beifall vom Rest der Geburtstagsgruppe.
Eine weitere Frau betrat die Bühne. Es war die kleine Kobold i n, die Fat Charlie gefragt hatte, wo es hingehen sollte. Die Eingangsakkorde von »Stand by Me« erklangen, und sie b e gann, im weitesten und eher annähernd verstandenen Sinne, m itzusingen: sie verfehlte jeden Ton, setzte bei jeder Songzeile entweder zu früh oder zu spät ein und verlas sich ständig im Text. Fat Charlie hatte Mitleid m it ihr.
Sie stieg von der Bühne und kam auf die Bar zu. Fat Charlie schickte sich an, etw a s Mitfühlendes zu sa g e n, a b er sie strahl t e vor Freude. »Das war s o to l l«, sagte sie. »Ich mein, das war einfach irre.« Fat Charlie g a b ihr einen aus, einen große Wodka Orange. »Das war s o lustig«, sagte sie zu ihm. » Gehst du auch no c h? Na komm. Du m u sst einfach. Ich wette, du wirst es auch nicht beschissener machen als ich.«
Fat Charlie zuckte d ie Achseln auf eine Art, die, wie er hoffte, durchblicken ließ, dass in ihm Abgründe der Beschissenheit verborgen seien, die besser nicht ans Tageslicht kä m e n.
Spider schritt auf die kleine Bühne zu, und es war, als würde ein Scheinwerferlicht ihm folgen.
»Das wird gut, wette ich«, sagte Fräulein Wodka Orange. »Sagte nicht jemand, du seist sein Bruder?«
»Nein«, mur m elte Fat Charlie ungnädig. »Ich sagte, dass er mein Bruder ist.«
Spider b e gann zu singen. Es war »Under the Boardwalk«.
Es wä r e nicht passiert, wenn Fat Charlie diesen Song nicht so g e liebt hätte. Im A lter von dreizehn Jahren war Fat Charlie der Ansicht gewe s e n, dass »Under the Boardwalk« der größte Song aller Zeiten sei (als er ein übersättigter und weltverdrossener Vierzehnjä h riger wurde, übernahm Bob Marleys »No Woman No Cry« diese Position). Und jetzt sang Spid e r diesen seinen Song, und er sang ihn gut. Er traf die Töne und er sang m it Überzeugung. Die Leute hörten auf zu trinken, brachen ihre Unterhaltungen ab. sahen zu ihm hin und hörten zu.
Als Spid e r m it seinem Vortrag fertig war. jubelten die Leute i h m zu. Hätten sie Hüte aufgehabt, würden sie sie wohl geschwenkt haben.
»Ich kann verstehen, warum man da nicht als Nächster kommen m ö chte«, sagte Wodka Ora n ge zu Fat Charlie.
»Ich mein, da sieht man ein f ach schlecht aus. stimm t ’s?«
»Na ja …« , sagte Fat Charlie.
»Ich mei n e«, sagte sie grinsend, » m an sieht, wer das ganze Talent in eurer Fa m ilie a b gekriegt bat.« Sie legte den Kopf schi e f , während sie das sagte, und reckte das Kinn. Es war das Kinnrecken. das den Ausschlag gab.
Fat Charlie steuerte auf d i e Bühne zu. Eindrucksvoll seine körperl ic he Gewandtheit d em onstrierend, setzte er einen Fuß vor den anderen. Er schwitzte.
Die folgenden Minu t en verschwammen in seiner Wahrneh m ung. Er sprach m it dem DJ, wählte einen Song aus der Liste »Unforge t table« –, wartete eine kleine Ewigkeit, wie es ihm schien, und bekam dann ein Mikrofon gereicht.
Sein Mund war trocken. Das Herz flatterte in der Brust. Auf dem Bildschirm erschien das ers t e Wort: Unforgettable …
Also. Fat Charlie konnte wirklich singen. Kräftige Stimme, Stim m u m f ang, Ausdrucksfähigkeit alles d a . Wenn er sang, wurde sein ganzer Körper zum Musikins tr ument.
Die Musik setzte ein.
Im Kopf war Fat Charlie g a nz und gar ber e it , de n Mund zu öffnen und zu singen.
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