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Anansi Boys

Anansi Boys

Titel: Anansi Boys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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die Sorte, die man für Göt t er trinkt. Er ist lange nicht mehr hergestellt worden. Er wird m it b itterem Aloesaft und Ros m arin abges c hmeckt, und m it den Tränen todunglü c klicher Jungfrauen.«
    »Und das verkaufen sie in einer Weinschenke in der Fleet Street?« Fat Charlie nahm die Flasche in die Hand, aber das Etikett war so aus g eb le icht und staubig, dass man es nicht lesen konnt e . »Hab noch nie davon gehört.«
    »In diesen alten Schenken gibt es die guten Sachen, wenn man danach fragt«, sag t e Spider. »Oder vielleic h t bilde ich m ir das auch nur ein.«
    Fat Charl i e na h m e i nen weit e ren kleinen Schluck. Der Wein war kräftig, ja geradezu scharf.
    »Das ist kein Wein z u m Nipp e n«, sagte Spider. »Das ist ein Trauerwein. Den trinkt m a n weg. Hier, so.« Er nahm einen richtig großen Schluck. Dann verzog er das Gesicht.
    »So sch m eckt er auch besser.«
    Fat Charlie zögerte, doch dann na h m a u ch er einen ausgiebigen Schluck von dem sel t sa me n Wein. Er bildete sich ein, den Aloesaft und den Rosmarin herausschmecken zu können. Er fragte sich, ob das Salzige wirklich von Tränen herrührte.
    »Den Ro s marin hat man fürs Gedenken dazugetan«, sagte Spider und m a chte sich dar a n, die Gläser wieder aufzufüllen. Fat Charlie unternahm den Versuch zu erklären, dass ihm heute Abend nicht d a nach war, allzu viel Wein zu trinken, zumal er ja auch m orgen früh wieder arbeiten m ü sse, aber Spider schni t t ihm das Wort ab. »Du bist jetzt dran, einen Toa s t auszusprechen«, s a gte er.
    »Ah. Ja«, sagte Fat Charlie. » Auf Mama.«
    Sie tranken auf ihre Mutter. Fat Charlie stellte fest, dass er zusehends Gefallen an dem bitteren Gesc h m ack des Weines fand; unversehens juckten ihm die Augen, und ihn durchfuhr, tief und sch m erzlich, ein Gefühl des V e rlusts. Er sehnte sich nach seiner Mutt e r. Er sehnte sich nach seiner Kindheit. Er sehnte sich s o gar nach seinem Vater. Auf der anderen Seite d e s Tisches schüttelte Spider d e n Kopf, eine Träne rann über sein Gesicht und p l u m pste ins Weinglas; er griff nach der Flasche und schenk t e für beide nach.
    Fat Charlie trank. Trauer durchströmte ihn, während er trank, fü l lte Kopf und Körper m it Verlust und dem Schmerz der Abwesenheit aus, wogte in ihm wie Wellen auf dem Meer.
    Eigene Tränen rannen nun über s e in Gesicht, spritzten in sein Glas. Er stocherte in seinen Taschen n ach einem Tuch. Spider schenkte den letzten Rest des schwarzen Weines aus, für jeden noch ein bisschen.
    »Haben s i e diesen Wein wirklich hier verkauft?«
    »Sie hatten eine Flasche, von der sie gar nichts wussten. Man m u sste sie nur daran erinnern.«
    Fat Charlie schnauz t e sich. »Ich hatte überhaupt keine Ahnung, dass ich einen B r uder habe«, sagte er.
    »Ich schon«, sagte Spider. »Ich hatte immer vor, dich zu besuchen, aber ich wurde abgelenkt. Du weißt ja, wie es ist.«
    »Nein, ei g e ntlich nicht.«
    »Irgendwelche Sachen k a me n m ir d a z wis c h e n .«
    »Was für Sachen?«
    »Sachen. Die dazwischenkamen. So ist das m it den Sachen. Sie kommen einem dazwi s chen. Du kannst nicht von m ir erwarten, dass ich m ir j e den einzelnen Fall m erke.«
    »Na ja, aber vielleicht mal ein Beispiel.«
    Spider tr a nk noch einen Sch l uck Wein. »Okay. Das letzte Mal, als ich der A n sicht w a r, dass wir beide uns mal treffen sollt e n, tja, da habe ich die Sache tagelang geplant.
    Wollte, dass alles h u ndertprozentig klappt. Ich m u sste entscheiden, was ich anziehen wi l l. Dann musste ich entscheiden, was ich zu dir sage, w e nn wir uns b e gegnen. Ich wusste ja, das Treffen von zwei Brüdern, na ja, der reinste Romanstoff, nicht wahr? Ich bes c hloss also, die einzige Methode, die Sache mit dem angemessenen Ernst anzugehen, wäre, es in Versen zu m a c h e n . Aber was für Verse? Sollte ich rappen? Deklami e ren? Ich mein, ich kann dich nicht m it einem Li me rick begrüßen, d a s ist ja wohl klar. Also. Es m u sste etwas Dunkles, etw a s Kraftvolles sein, etwas Rhyth m isches, Episches. Und dann hatte ich’s. Die perfekte erste Zeile. Blut ruft nach seinesgleichen wie Sirenen in der Nacht. Das sagt so viel. Ich wusste, da steckt alles drin, was i c h brauche, Me nschen, die einsam auf der Straße sterben, Schweiß und Albträu m e, die Macht des unzerstörbaren freien Geistes. A lles wäre darin ent h alten. Aber dann m u sste ich eine zweite Zeile finden, und da fiel das Ganze völlig auseinander. Alles, w a s m ir

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