Anansi Boys
Charlie sagte es m it ehrlicher Überzeugung. Es gelang ihm, voll und ganz zu vergessen, wie sehr ihm sein J ob m issfiel, und die ganze Graha me -Coats-Agentur, und zumal die grässliche, hinter jeder Tür lauernde Erscheinung des Vorgesetzten Grahame Coats selbst.
Spider erhob sich. »Schönes Stück Steak war das«, sagte er. »Ich hab meine Sachen in deinem Gästezimmer untergebracht.«
»Was hast du?«
Fat Charlie eilte ans andere Ende des Flurs, wo e s ein Zimmer gab, das seine Bleibe for m al in den Rang einer Zweizimmerwohnung erhob. Das Zimmer enthielt mehrere Bücherkartons, eine Kiste, in der eine angejahrte Autorennbahn verstaut war, einen m it Spielzeugautos (überwiegend ohne Räder) gefüllten Ble c hkasten und diverse andere verbeulte Überreste aus Fat Charlies Kindheit. Vielleicht hätte es als anne h m bar geräu m iges Schlafzimmer für einen handelsüb l ichen Gartenzwerg od e r auch einen zu klein geratenen echten Zwerg dienen k önnen, doch für alle anderen war es nur ein Kleiderschrank m it Fenster.
Oder bes s er: war es bisher gewesen. Jetzt nicht mehr.
Fat Charlie riss die Tür auf und blieb blinzelnd i m Flur stehen.
Da war ein Zimmer, ja, so viel konnte man nach wie vor feststellen, aber es war jet z t ein gewaltig großes Zimmer. Ein prachtvolles Zimmer. Es gab Fenster auf der gegenüberliegenden Seite, riesige Panoramafenster, die Ausbli c k auf einen Wasserfall zu gewähren schienen. Jenseits des Wasserfalls stand die trop i sche Sonne tief am Horizont und tauchte alles in ihr goldenes L i cht. Da war ein Ka m i n, groß genug, dass man einen ganzen Ochsen darin grillen konnte, in dem drei brennende S c heite knackten und Funken spuckten. In einer Z i mmerecke hing eine Hängematte, dazu gab es ein strahlend weißes Sofa und ein Bett m it vier Pfosten. In der Nähe des Ka m ins befand s i ch etwas, das Fat Charlie bisher ausschließlich in Zeitschriften gesehen hatte: Seiner Ver m utung nach handelte es sich um eine Art Whirlpool. Ein Zebrafellteppich lag auf dem Boden, ein Bärenpelz hing an der Wand, und offenb a r gab es auch eine von diesen top m odernen Stereoanlagen, die in der Hauptsac h e aus einem s c hwa r z glänze n den Stück Plastik bestehen, das man durch Zuw i nken bedient. An einer der Wände hing ein Flachbildsch i r m , der so breit war wie das Z i mmer, d a s es hier mal g e geben hatte. Und das war noch längst nicht alles …
»Was hast du getan?«, fragte Fat Charlie. Er ging nicht hinein.
»Na ja«, sagte Spider, »wo ich doch jetzt ein paar Tage bleiben werde, dachte ich, s t e l le ich meine Sachen hier unter.«
»Deine Sachen unterstellen? Seine Sachen unters t ellen, das sind v i elleicht ein paar Tragetaschen mit W ä sc h e , einige PlayStation-Spie l e und eine Topfpflanze. Das hier ist … also, dies hier …« Ihm fehlten die Worte.
Spider klopfte Fat Charlie auf die Schulter, während er sich an ihm vorbeischob. »Wenn du m ich brauchst«, sagte er zu s e inem Bruder, »ich b i n in me inem Zimmer.« Und er machte die Tür hinter sich zu.
Fat Charlie rüttelte am Türknopf. Die Tür war verschlossen.
Er ging ins Fernsehzimmer, holte das Telefon aus dem Flur und wählte Mrs. Higglers Nummer.
»Wer z u m Teufel ruft in dieser Herrgottsfrühe an?«, sagte sie.
»Ich bin’s. Fat C h arlie. Tut m ir leid.«
»Na, und? Weswegen rufst du an?«
»Tja, ich wollte Sie um Rat bitten. Sehen Sie, mein Bruder ist hergekommen.«
»Dein Br u d er.«
»Spider. Sie hatten m ir von i h m erzählt. Sie hatten gesagt, ich soll einer Spinne Bescheid sagen, wenn ich ihn sehen will, und das hab ich gemacht und jetzt ist er hier.«
»Na ja«, sagte sie unverbind l ich. »Das ist gut.«
»Eben nicht.«
»Warum nicht? Er g e hört zur Fa m ilie, oder?«
»Hören Sie, ich kann das j e tzt nicht näher ausführ e n . Ich m ö chte einfach, da s s er wieder verschwindet.«
»Hast du versucht, ihn nett darum zu bitten?«
»Das haben wir gerade alles durch. Er sagt, dass er nicht weggeht. Er hat hier in me i n em Abstellzimmer irgendwas hingestell t , das aussieht wie der Freudenpalast des Kubla Khan, und ich meine, in dieser Gegend braucht ma n schon eine behördliche Geneh m igung, wenn man sich nur Doppelglasfenster einsetzen lassen will. Er hat eine Art Wasserfall vor dem Fenster. Und er ist hinter meiner Verlobten her.«
»Woher weißt du das?«
»Hat er selbst gesagt.«
Mrs. Higgler sagte: »Ich bin e i nfach nicht auf der Höhe, bevor ich meinen
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