Anansi Boys
es Bl i c k auf einen Mann etwa seines A lters fiel, der im rückwärtigen Teil der Kapelle stand. Es war offenkundig ni c h t sein Vater. Es war jema n d , den er nicht kannte, den er ver m utlich nicht ein m al bemerkt haben würde, dort hinten im Schatten, hätte er nicht nach seinem Vater Ausschau gehalten … und dann stand da plötzli c h dieser Fre m d e, in einem eleganten schwarzen Anzug, die Augen gesenkt, die Hände gefaltet.
Fat Charlie ließ seinen Bli c k einen Augenblick zu la nge auf ihm ruhen, der Fre m de s a h Fat Charlie an und w a rf ihm ein freud l oses Lächeln zu, das so viel auszudrücken schien wie: Wir sitzen hier im gle i chen Boot. Es war n i cht die Sorte Gesichtsausdruck, wie man sie von Unbekannten gezeigt bekommt, und doch konnte Fat Charlie diesen Mann nicht unt e r bringen. Er wandte sich wieder dem vorderen Teil der Kapelle zu. Man s a ng »Swing Low, Sweet Chariot«, ein Lied, da war Fat Charlie sich zieml i ch sicher, das seiner Mutter zeitlebens m i ssfallen hatte, und Pfarrer Wright lud alle Anwesenden ein, noch zu Fat Charlies Großtante Alanna zu kommen und einen kleinen Imbiss zu nehmen.
Bei Großtante Alanna traf er niemanden, den er nicht bereits kannte. In den folgenden Jahren machte er sich manchmal Gedanken über d i esen Fremden: Wer war er, warum war er bei der Beerdigung gewesen? M a n c h ma l dachte Fat Charlie, dass all e s nur Einbi l dung gewesen sei und er ihn nur in seiner Fantasie gesehen habe …
»Also«, Rosie trank ihren Chardonnay aus, »du rufst deine Mrs. Higgler an und gibst ihr meine Handynummer. Erzähl ihr von der Hochzeit, gib ihr das Datum … da fällt m ir ein: Meinst du, wir sollten sie vielleicht einladen?«
»Können wir, wenn wir wollen«, sagte Fat Charlie. »Ich glaube nicht, dass sie kommen würde. Sie ist eine alte Freund i n der Fa m ilie. Sie ken n t meinen Vater seit ewigen Zeiten, praktisch aus dem Mittelalter.«
»Na ja, klopf ma l auf den B u sch. Finde heraus, ob wir eine Einladung schi c k en sollten.«
Rosie war ein guter Mensch. In Rosie steckte ein bisschen vom Wesen eines Franz von Assisi, eines Robin Hood, eines Buddha und einer C linda, der guten Hexe: das Wissen daru m , dass sie im Begriff war, ihre wahre Lie b e und sein e n ihm entfre m d eten Vater wieder zusammenzuführen, verlieh ihrer anstehe n den Hochzeit, so befand sie, noch eine zusätzliche Dimens i on. Es war nicht mehr einfach nur eine Hochzeit: Es war jetzt praktisch eine h u manitäre Mission, und Fat Charlie kannte seine Rosie lange genug, um sich ihrem Bedürfnis, Gutes zu tun, nie m als und auf keinen Fall in den Weg zu stellen.
»Ich werde Mrs. Hi g g ler m o rgen anrufen«, sagte er.
»Soll ich dir was sagen«, entgegnete Rosie m it einem entzückenden Naser üm p fen, »ruf sie heute Abend noch an.
Schließlich ist es in Amerika noch früher am Tag.«
Fat Charlie nickte. Sie traten geme i n sam aus der Weinstube, Rosie m i t federnd e n Schritten, Fat Charlie wie ein Mann, der zum Schafott g e führt w ird. Er beschwor sich, nicht albern zu sein: Vielleicht war ja Mrs. Higgler inzwischen verzogen oder h a tte ihr Telefon abgemeldet.
Möglich war es. Alles war m ö g lich.
Sie gingen bis zu Fat Charlies Wohnung, der oberen Etage eines eher kleinen Hauses in Maxwell Gardens, ga n z in der Nähe der Brixton Road.
»Wie spät ist es jetzt in Florida?«, fragte Rosie.
»Später Nac h m itta g « , sagte Fat Charlie.
»Na, dann mal los.«
»Vielleic h t sollten wir noch ein bisschen warten. Falls sie grad unterwegs ist.«
»Und vie l leicht sol l ten wir jetzt anrufen, solange sie noch nicht beim Abendessen is t .«
Fat Charlie stöberte sein alt e s Adressbuch auf, und unter dem Buchstaben H fand s ich ein ausgerissenes Stück Brief u m schlag, auf dem in d e r Handschrift seiner Mutter eine Telefonnum me r und darunter der Name Callyanne Higgler stand.
Das Telefon kling e lte und klingelte.
»Sic ist n i cht da«, sagte er zu Rosie, a b er i m gle i chen Mo me nt wurde der Hörer am anderen Ende abgenommen, und eine Frauenstimme sagte: »Ja? Wer ist da?«
»Ähm. Spreche ich m it Mrs. Higgler?«
»Wer ist da?«, sagte Mrs. Higgler. »Wenn Sie einer von diesen verdam m t en Telefonverkäufern s i nd, dann streichen Sie m ich sofort von Ihrer Liste, sonst verklag ich Sie. Ich kenn meine Rechte.«
»Nein. Ich bin’s. Charles N a ncy. Ich habe früher bei Ihnen nebenan gewohnt.«
»Fat Charlie? Na, das ist ja ein Ding. Ich hab den
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