Anansi Boys
seine Frau Bücher über die Macht der m u ltin a tionalen Konzerne schrieb, die keiner lesen wollte, und Bücher über die Geschichte und die S t rategien des Schachspiels, die sehr viele Leute lesen wollten, sodass sie in guten Jahren me hr Geld verdiente als er, was al l e rdings g a r nicht ma l so schwierig war. Ihr politis c h es Engagement verlor m it den Jahren an Dringlichkeit, und als sie sich d e m m ittleren Lebensalter näherten, waren sie zu einem Paar geworden, das keine weite r e n Interesse n pflegt e al s da s eig e n e G l ü c k m i t e i n a n d e r , Schach, Daisy und die Sanierung vergessener Betriebssysteme.
Keiner von beiden konnte beg r eifen, was m it Daisy los war.
Sie mach t e n sich Vorwürfe, dass sie Daisys Begeisterung für d i e Polizei nicht sofort im Keim erstickt hat t en, als sie sich z u erst beme r kbar m achte, nä m lich mehr oder weniger zur gleichen Zeit, als sie zu sprechen begann. Wo andere kleine Mädchen aufgeregt auf niedliche Ponys zeigen, zeigte Daisy ebenso aufg e r egt auf vorbeifahrende Polizeiautos. Ihr siebter Geburt s tag wurde in Form eines Kostü m f ests begangen, was ihr d i e Möglichkeit gab, ihre kleine Polizis t innenun i form zu tragen, und i m Dachgeschoss ihrer Eltern steht noch immer eine Kiste m it Fotos, die das glückstrahlende Gesicht eines siebenjährigen Kindes beim Anblick seiner Geburtstags t orte doku m entieren: sieben Kerzen, die im flackernden Blaulicht brennen.
Daisy war ein fleißiges, f r öhliches und intelligentes junges Mädchen, das seine Eltern glücklich machte, als sie sich in der University of London einschrieb, um Jura und Infor m atik zu studieren. Ihr Vater sah sie vor sein e m geistigen Auge bereits als Rec h tsdozentin; ihre Mutter hegte Trä u m e , in denen ihre Toc h ter Kronanwältin, vielleicht sogar Richterin wurde und m it Hilfe des Gesetzes die Herrschaft der Konzerne zerschlug, wo immer diese ihr garstiges Haupt erhoben. Stattdess e n aber zertrümmerte Daisy die schönsten Hoffnungen i h rer Eltern, i ndem sie die Aufnahmeprüfung bei der Po l izei absolvierte und bestand. Die Polizei nahm sie m it offenen Armen auf: Zum einen gab es Anweisungen von höherer Stelle, die ethnische Vielfalt der Truppe zu erhöhen, und zum a nderen war eine drastische Zunah m e der Co m p uterkri m i n alität und des Co m p uterbetrugs zu verzeichnen. Sie bra u chten Daisy. Sie hätten, offen gesagt, eine ganze Ko m p anie von D a isys gebrauchen können.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, vier Jahre später, durf t e man m it Fug festste l len, dass die Laufbahn bei der Polizei nicht dem entsprach, was Daisy sich erwartet hatte. Nicht, dass die wiederholt vorgetrag e nen Warnungen ihrer Eltern sich bestätigt hätten, denen z u folge die Polizei eine strukturell rassistische und sexistische Institution sei, die ihre Individualität auslöschen und sie einer seelenlosen Gleichför m igkeit unterwerfen würde, b i s sie am Ende ebe n so Teil der Kantinenkultur w ä re wie j e der beliebige Anrührkaffee. Nein, das Frustrierende war die Schwierigkeit, den anderen Bullen klarzumachen, dass auch sie ein Bulle war. Sie war zu dem Schluss g e kommen, dass für die me isten Bullen Polizeiarbeit in erster Linie darin bestand, die Bevölkerung Mittelenglands vor all den unhei m lichen Leuten m it dem falschen sozialen Hintergrund zu beschützen, die wahrscheinlich nur darauf aus war e n, ihnen die Handys zu klauen. Aus Daisys Sicht ging es um etwas g a nz a nderes . Daisy wusste, dass es jede Menge M i ttelschichtsjugend l iche gab, die i m stande waren, von i h r e n Kinderzimmern in Deutschland aus Viren zu verschicken, die ein ganzes Krankenhaus lah m lege n un d me h r Schaden verursachen konnten als eine B o mbe. Daisy war der Ansicht, dass die wirklichen Bösewichte heutzutage solche waren, die sich m it FTP-Sites, m odernsten Verschlüssel u ngstechniken und Prepaid-Wegwerfhandys auskannten.
Sie nahm einen Schluck Kaffee aus einem Plastikbecher und verzog das Gesicht; während sie eine Datei nach der anderen durchgeseh e n hatte, war der Kaffee kalt geworden.
Si e hatt e all e Informatione n gesichtet , di e Graham e Coa ts ihr übergeben hatte. Dass hier irgende t was nicht in Ordnung war, schien wirklich auf der Hand zu liegen – und sei es allein angesichts des S c hecks über zweitausend Pfund, den Charles Nancy in der l e tzten Woc h e al l e m Anschein nach sich selbst ausgestellt hatte.
Trotzde m . Trotzdem kam ihr die
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