Anansi Boys
wie er.«
Sie gab s i ch keine Mühe me hr, ihm nach dem Mund zu reden. Sie blickte ängstlich aus geweiteten Augen.
»Ich b i n sein Bruder«, s a gte Spider. »Ich hab alles durcheinandergebracht. Ich hab richtig großen Mist gebaut. Und ich g l aube, es ist das Be s te, wenn ich einfach abhaue und aus eurem Leben verschwinde.«
»Und wo ist Fat – wo ist Charlie?«
»Ich weiß nicht. Wir hatten uns geprügelt. Er ist dann an die Haustür gegangen, weil es geklingelt hatte, und ich bin in me in Zimmer gegangen. Irg e ndwie ist er dan a ch nicht wiedergekommen.«
»Er ist nicht wiedergekommen? Und du hast nicht mal versucht herauszufinden, was m it ihm passiert ist?«
»Ah. Könnte sein, dass er von der Polizei m itgenommen wurde«, sagte Spider. »Das i s t aber nur eine Vermutung.
Ich hab keinen Beweis oder so.«
»Wie heißt du?«, fragte sie.
»Spider.«
Rosie wiederholte. »Spider.« Draußen vor dem Fenster, über der Gischt des Wasserf a lls, konnte sie eine Schar Fla m ingos durch die Luft sch w eben sehen, das Weiß und Rosa ihrer Flügel verschwamm im Sonnenlicht. Sie waren stattlich, eine unübersehbare Menge, u nd es war m it das Schönste, was Rosie je geseh e n hatte. Sie wandte sich zurück zu Spider, und als sie ihn je tzt ansah, war es ihr unbegreiflich, wie s i e diesen Ma n n jemals für Fat Charlie hatte halten können. Wo Fat Charl i e gelassen bis zur Behäbigkeit, offen und i m mer etwas v e rlegen war, war dieser Mann wie eine gebogene, un t er Hochspannung s t ehende Stahlrute. »Du bist wirklich n i cht Charlie, was?«
»Hab ich doch gesagt.«
»So. Und wer war es jetzt. Wer hat m ich … m it wem hab ich geschlafen?«
»Das war wohl ich«, sagte Spider.
»Dachte ich mir«, sagte Rosie. Sie schlug ihn, so kräftig sie konnte, ins Gesicht. Er spürte, dass seine Lippe wieder zu bluten begann.
»Das hab ich m ir wohl verdien t «, sagte er.
»Natürlich hast du das verdien t .« Sie machte eine Pause. Dann sagte sie: »Wusste Fat Charlie davon? Von dir? Davon, dass du m it m ir ausgegangen bist?«
»Na ja, schon. Aber er …«
»Ihr seid beide krank«, sagte sie. »Widerliche, kranke, verkommene Mannstypen. Ich hoffe, ihr verfault in der Hölle.«
Sie warf einen letzten verwirr t en Blick durch das r i esige Schlafzimmer und aus dem Fenster h i naus auf die Dschungelbäume, den großen Wasserfall und die Fla m ingoschar, dann drehte sie sich um und marschierte durch den Flur davon.
Spider se tz te sich auf den Fußboden, lie ß ein dünnes Blutrinns a l von der Unterlippe tropfen und kam sich zie m lich blöd vor. Er hör t e die Haustür knallen. Er ging zu seinem Warmwasserbecken und tau c hte das Ende eines flauschigen Handtuchs ein, das er anschließend auswrang und sich auf den Mund l e gte. »Ich brauche das hier alles nicht«, sagte Spider. Er sag t e es laut; es ist leic h ter, sich selbst zu belügen, wenn ma n es laut t u t. »Ich hab keinen von euch vor einer Woche gebraucht, und heute brauche ich euch auch nicht. Ist m ir alles tot a l egal. Ich bin hier fertig.«
Di e Fla m ingo s knallte n au f da s Fenste r wi e gefiedert e ros a Kanonenkugeln , un d da s Gla s ze r spran g i n tausen d kleine Stücke, die durchs Zimmer f l ogen und sich in die Wände, den Fußboden, das Bett bohrten. Überall schossen blassrosa Körper durch die Luft, ein wirres Durcheinander von großen rosa Flügeln und gebog e nen schwarzen Schnäbeln. Das Tosen des Wasserfalls explodierte ins Zimmer hinein.
Spider s c hob sich rückwärts bis zur Wand. Zwischen ihm und der Tür waren hunder t e von Fla m ingos: ein Meter sechzig hohe Tiere, ganz aus B e inen und Hälsen bestehend. Er kam auf die Füße und m a chte ein paar Schritte durch ein Minenfeld aus wütenden rosa Vögeln, die i hn aus wahnsinn i gen rosa Augen feind s elig anstarrten. Aus einiger Entfernung betrachtet, m o chten sie sogar schön sein. Einer von ihnen schnappte nach Spiders Hand. Es ging nicht dur c h die Haut, aber es tat weh.
Spiders Schlafzimmer war groß, aber es füllte sich rasend schnell m it bruchlandend e n Fla m ingos. Und im blauen Himmel über dem Wasserfall erschien jetzt eine dunk l e Wolke: offenbar ein wei t eres Gesc h wa d er i m Anflug. Sie hackten u nd krallten nach ihm, stießen ihn m it ihren Flügeln h i n und her, aber er w u sste, dass das nicht das eigentliche Problem war. Die eigen t liche Gefahr bestand darin, unter einer flauschig e n rosa Federdecke und den dazugehörigen Vögeln
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