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Anarchy in the UKR

Anarchy in the UKR

Titel: Anarchy in the UKR Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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nicht reinlassen, sie müssen einfach, und sei es nur wegen unserer gemeinsamen Vergangenheit. Ich fuhr hin, und wir hatten uns einiges zu sagen, Anschuldigungen vorzubringen sozusagen, wie oft hatten mich die Wachleute des Saales verwiesen, einmal hätten sie mir fast eins übergebraten, weil ich angeblich einen gezündeten Knaller in den überfüllten Saal geschmissen hatte, und obwohl ich x-mal beteuerte, daß ich es nicht war, hätte ich trotzdem fast eins auf die Mütze gekriegt, wie oft haben sie mich mit den Musikern von der Bühne geschmissen, an die ich mich dann klammerte – mit anderen Worten, wenn ich irgendwo auf Verständnis hoffen konnte, dann hier. Ich ging hinein – im Erdgeschoß war ein Möbelgeschäft, dann gab es noch eine Kneipe, irgendwelche Boutiquen und Geschäfte, um die Ecke befand sich ein schmuddeliger Secondhandshop. Nach Haschisch roch es nicht mehr, nur der Klogestank hielt sich, der Geist der Sowjetschüssel, der nicht mit dem Rock'n'Roll verschwunden war, hatte sich in die Wände, in den Secondhandshop gefressen. Ich drehte um und fuhr zurück.
    Eine ähnliche Geschichte passierte mit dem Pionierpalast. Zu Beginn der Neunziger probten dort Freunde von Deutsch, unserem gemeinsamen Bekannten. Deutsch war gleichzeitig an mehreren Fronten unterwegs und brachte auf seinem Lebensweg scheinbar unvereinbare Dinge wie Pangermanismus (das konnte man immerhin auf seinen Spitznamen zurückführen) und das volkstümlich ukrainische Heidentum (das war nun total unmotiviert, das ist die Jugend, meine lieben Brüder und Schwestern, nichts zu machen) unter einen Hut, und seine Freunde vom Pionierpalast versuchten auch auf eine total schräge Art, diese Dinge in ihrer Kunst zu vereinigen. Deutsch erzählte viel und mit Begeisterung von ihnen, hatte aber Angst, uns vorzustellen, er hatte schlechte Erfahrungen gemacht und wußte eines ganz genau – wenn du einen Freund nicht verlieren willst, dann bring ihn mit niemandem zusammen. Mit den Weibern gab es eine ähnliche Situation, das heißt, es gab die Situation, Weiber nicht wirklich. Ich erinnere mich noch, wie begeistert er seinerzeit vom Pionierpalast sprach, wie von einem Hafen, den die ukrainischen Heiden, von den Stürmen des Lebens erschöpft, ansteuern können und wo sie stets ein warmes, intimes Zuhause finden – einen kleinen Schluck aus dem Bleikrug, eine breite Auswahl an Pillen, einen Joint, Weiber und Französisch in der Damentoilette, wie unter Heiden so üblich, vermutlich war es ein bißchen anders, als er es schilderte, aber das störte mich nicht – irgendwann mußten Deutsch und ich diesen endlosen Herbst zusammen durchstehen, wir campierten im Büroraum einer Rechtspartei, der früher mal eine Dusche gewesen war, gerade groß genug, daß sich zwei schmutzige Jungs Rücken an Rücken, Ellenbogen an Ellenbogen, ohne sich auszuziehen natürlich, darin ausstrecken konnten – auf Paketen mit Fascholiteratur, den Kopf auf den Pullover gelegt, die Schuhe draußen auf dem Flur, erstens aus Platzmangel und zweitens wegen dem Gestank, in diesem Duschraum mit den herausgerissenen Hähnen und grau gekachelten Wänden schliefen wir, wärmten die feuchten Zeitungspakete mit Seiten voller Helden der Wehrmacht. Die Helden waren kalt, der Faschismus hatte es bei mir von Anfang an verschissen.
    Der Pionierpalast war ganz nah, wie die totale Negation all unserer kindlich-naiven Lebensvorstellungen – damals, in jenem Herbst, begann ich endlich zu verstehen, daß niemand, egal wo und wann und unter welchen Umständen, auf mich wartete, es gibt keinen Hafen, egal ob ich dreimal Heide oder Held der Wehrmacht bin, niemand bezieht mir ein warmes Bett, niemand schaut aus dem Fenster, um auf der nächtlichen Straße meine Silhouette zu entdecken, ich habe keinen Ort, das einzige, was ich tun kann, ist, zu bleiben, ein für allemal zu bleiben, wo ich bin, dort, wo es mir so beschissen ging, dort, wo ich schließlich überlebt habe, ohne mich von den grausamen, feuchten, druckerschwarzen Zeitungspaketen ersticken zu lassen, die nach Angst in der Nacht und Bleisatz dufteten.
     
9. Metrostation Tod.
    Weißt du, was das ist? fragte er und zeigte auf die Fuge in der Wand. Was denn? Das sind Notausgänge, falls Bomben fallen. Wußtest du, daß unsere Metrostationen für Bombenangriffe eingerichtet sind? Na ja, wahrscheinlich. Und nicht nur für Bombenangriffe, fügte er hinzu, im Fall eines Atomschlags kann man hier auch einige Zeit ausharren. Na, das wohl

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