Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
nicht, daß mein Foto in der Zeitung erscheint«, erklärte Nastja, nachdem sie die Gäste samt Dascha im Zimmer hatte Platz nehmen lassen. »Deshalb schlage ich Ihnen einen ebenbürtigen Ersatz für mich vor. Das Interview wird Ihnen meine Schwägerin geben, die auch am Ort des Geschehens war. Anton, erinnern Sie sich an Dascha?«
»Natürlich«, sagte Schewzow mit einem Lächeln. »Es wäre schwer, sich nicht an Sie zu erinnern, Sie haben ein sehr eindrucksvolles Äußeres.«
»Ich habe kein eindrucksvolles Äußeres, sondern einen auffallenden Bauch«, erwiderte Dascha mit einem klangvollen Lachen. »Auf den Standesämtern sieht man einfach selten so hochschwangere Frauen wie mich. Aber ich schätze Ihren Takt.«
»Also«, fuhr Nastja fort, »das Interview wird Ihnen Dascha Kamenskaja geben, und sie können Sie fotografieren, sooft Sie wollen. Wenn Sie irgendwelche Fragen haben sollten, die nur ich beantworten kann, und wenn Sie diese Fragen unbedingt stellen müssen, dann werde ich Ihnen antworten, aber unter Daschas Namen. Ich möchte nicht, daß mein Name in der Zeitung erscheint. Abgemacht?«
Nastja konnte am Gesichtsausdruck des Journalisten erkennen, daß ihm ihre Idee nicht gefiel, er wollte das Interview mit ihr, der Kripobeamtin, machen, um seine nahen Beziehungen zur Moskauer Kripo unter Beweis zu stellen. Aber ob Slawa Wostroknutow ihre Idee gefiel oder nicht, es blieb ihm nichts anderes übrig, als das zu tun, worauf Nastja bestand, da in der gestrigen Samstagsausgabe des »Kriminalboten« bereits die Ankündigung dieses verfluchten Interviews erschienen war.
Anton schoß schon vorab einige Fotos von Dascha, um sie nachher nicht mehr abzulenken, danach begleitete ihn Nastja in die Küche, übergab ihn der Gesellschaft ihres Mannes und ihrer Mutter und ging wieder nach nebenan.
* * *
Nachdem Nastja Anton Schewzow in der Küche abgeliefert hatte, wurde Ljoscha sofort klar, daß die entstandene Dreierkonstellation nichts Gutes versprach. Nastja hatte ihre Mutter gebeten, sich dem Fotografen zu widmen, solange sie gemeinsam mit Dascha das Interview gab, und in dieser Rollenverteilung konnte Alexej Tschistjakow keine Funktion für sich entdecken. Sollte er dasitzen wie ein Ölgötze und schweigen? Sollte er anfangen, das Essen zuzubereiten? Oder sollte er sich an dem Gespräch mit einem Menschen beteiligen, mit dem ihn nichts anderes verband als die Tatsache, daß sie sich beide zufällig zur gleichen Zeit an einem Ort befunden hatten, an dem ein Mord begangen wurde? Er konnte natürlich auch einen anderen Weg wählen, den Fotografen einfach links liegenlassen und eine gepflegte Konversation mit Nadeshda Rostislawowna beginnen. Sollte der Fotograf es dann halten, wie er wollte, sich an dem Gespräch beteiligen oder nicht.
Kurz, nachdem er alle Möglichkeiten und Varianten durchdacht hatte, kam Tschistjakow zu dem weisen Schluß, sich an dem Stück nicht zu beteiligen. Er erhob sich mit besorgter Miene und begann, etwas im Kühlschrank zu suchen. Schließlich erklärte er verstimmt, daß er einen unverzeihlichen Fehler begangen hätte, daß er für die Zubereitung des Mittagessens unbedingt Mayonnaise benötige, gestern hätte er Nastja versichert, daß noch zwei Gläser im Kühlschrank stünden, und jetzt hätte er festgestellt, daß es sich nicht um Mayonnaise, sondern um Meerrettich handelte. Man solle ihm verzeihen, bat er, aber er müsse unbedingt losgehen und Mayonnaise besorgen, und da heute Sonntag sei und die meisten Geschäfte geschlossen hätten, könne die Sache sich länger hinziehen, da er womöglich ins Zentrum würde fahren müssen, in das Jelissewskij-Geschäft auf der Twerskaja-Straße.
Nachdem er diese feinsinnige Suada von sich gegeben hatte, schlüpfte Professor Tschistjakow in seine Jeansjacke und verließ die kleine Wohnung, in der sich entschieden zu viele Menschen aufhielten.
* * *
»Warum waren Sie an diesem Tag auf dem Standesamt? Was hat Sie dorthin geführt?«
»Ich war als Nastjas Trauzeugin dort. . .«
»Dascha war Trauzeugin der Halbschwester ihres Mannes«, berichtigte Nastja. »Aber die Namen brauchen Sie nicht zu nennen, die interessieren den Leser nicht.«
»In welcher Stimmung waren Sie, als Sie auf dem Standesamt ankamen?«
»In der allerbesten. Ich hatte gerade eine Stunde vorher selbst geheiratet, deshalb war die Stimmung entsprechend.«
»Was Sie nicht sagen? Sie haben auch am 13. Mai geheiratet?«
* * *
Nadeshda Rostislawowna bewirtete Anton
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