Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
daß ihr Halbbruder sich nie lange mit dem Abschließen des Autos aufhielt. Er hatte ihr erklärt, daß die Alarmanlage sich automatisch einschaltete, sobald er den Wagen von der Fahrerseite abschloß. Etwas stimmte hier nicht.
Nastjas Verdacht war nicht unbegründet gewesen. Nach einigen Minuten schob sich ihr Halbbruder durch die Tür, beladen mit einer riesigen, schweren Kiste.
»Was ist das?« fragte Alexej mit einem entsetzten Blick auf die Kiste, die mindestens vierzig Kilo wiegen mußte.
»Obst und frischer Fisch. Der ist heute nacht noch im Kaspischen Meer geschwommen«, erwiderte Alexander keuchend. »Hat mir ein Freund aus Baku geschickt. Die Sendung sollte schon letzten Samstag ankommen, zu unserer Hochzeit, aber irgendwas ging bei denen dort drunter und drüber, so daß der Flughafen geschlossen war. Erst seit gestern gehen die Maschinen wieder. Mein Freund hat mich angerufen, mit der ersten Maschine geht morgen eine Sendung an dich ab, hat er gesagt, frisches Obst, das wir gerade erst gepflückt haben, und Fisch, den wir gegen Abend erst noch fangen werden. Fahr zum Flughafen, und hol die Sendung ab. Ich habe versucht, es ihm auszureden, aber es nutzte nichts. Es ist meine Entscheidung, sagte er, und basta. Deine Frau braucht frische Kost.«
»Recht hat er«, erwiderte Nastja lachend, »Dascha braucht frische Kost, aber warum schleppst du das zu uns?«
»Wohin soll ich denn damit? Er hat mir fünf solche Kisten geschickt. Eine Kiste haben wir Daschas Eltern gebracht, eine meinen, eine ist für euch, und für die fünfte brauche ich noch einen Abnehmer. Das Obst muß gegessen werden, es ist sehr reif, ganz zu schweigen vom Fisch. Kennst du nicht jemanden, dem ich die fünfte Kiste andrehen kann? Wäre doch schade, wenn die Sachen verderben würden. Der Mann hat sich schließlich Mühe gegeben, dieser ganze Aufwand mit dem Verschicken . . .«
Nastja fuhr mit der Hand sanft über das schweißnasse Gesicht ihres Halbbruders und drückte ihm einen Kuß auf die Nase.
»Sascha, du bist verrückt. Warum hast du eine so schwere Kiste allein heraufgeschleppt? Und für die fünfte Kiste finde ich Abnehmer, keine Bange. Tschistjakow und ich haben auch Eltern.«
»Bestens«, sagte Sascha erfreut. »Dann gib mir jetzt etwas zu trinken, dann fahren wir weiter und bringen die fünfte Kiste weg.«
Nastja brachte ihrem Halbbruder ein Glas Mineralwasser, und während er mit großen Schlucken trank, sah sie zärtlich auf die Bewegungen seines Adamsapfels hinter der Haut seines dünnen Halses. Plötzlich kam ihr eine Idee.
»Sascha, was hältst du davon, wenn Dascha bei uns bleibt, während du die Kiste wegbringst? Wozu soll sie durch die Gegend fahren und dabei Auspuffgase einatmen? Wir schauen uns inzwischen zusammen den Inhalt der Kiste an, sortieren das Obst, um zu sehen, was sofort gegessen werden muß und was noch liegenbleiben kann, und dabei können wir ein bißchen tratschen. Was meinst du dazu, Dascha?«
Nastja zwinkerte Dascha unmerklich zu, um ihr zu verstehen zu geben, daß es nicht nur um das Obst ging.
»O ja, Sascha wirklich, laß mich hierbleiben, und nachher holst du mich wieder ab. Einverstanden?«
»Wie du meinst«, sagte Kamenskij schulterzuckend, »wenn du willst, dann bleib hier. Ich komme gegen fünf wieder vorbei und hole dich ab.«
Er ging mit Ljoscha nach unten, um die zweite Kiste aus dem Auto zu holen, damit der Inhalt zwischen Ljoschas und Nastjas Eltern aufgeteilt werden konnte.
Kaum war Sascha gegangen, erschien die kostbar und hochelegant gekleidete Nadeshda Rostislawowna. Hinter ihr erblickte Nastja ihren Stiefvater.
»Tochter, ich übergebe dir deine Mutter und verschwinde sofort wieder«, sagte Leonid Petrowitsch, der seiner Stieftochter auf den ersten Blick ansah, wie es ihr ging. Sie fühlte sich dem Ansturm der vielen Besucher in ihrer kleinen Wohnung nicht gewachsen und war deshalb gereizt und nervös.
Nastja küßte ihren Stiefvater dankbar und mit unverhohlener Erleichterung. In zwanzig Minuten würden Schewzow und der Journalist eintreffen. Wenn sie am heutigen Tag nicht den Verstand verlieren würde, konnte ihr in Zukunft kein Psychostreß mehr etwas anhaben.
In den verbleibenden zwanzig Minuten schaffte sie es, Dascha ein paar Anweisungen zu geben, ihre Mutter kurz über die Situation aufzuklären, sich umzuziehen und sogar etwas zu schminken. Punkt drei erschien Anton Schewzow mit einem Journalisten, der sich als Slawa Wostroknutow vorstellte.
»Ich möchte
Weitere Kostenlose Bücher