Anastasija 06 - Widrige Umstände
gefährlich. Wenn doch – dann musste er überlegen.
Pawlow hatte in der Petrowka einen Vertrauten, und den bat er herauszufinden, wer Larissa Lebedewa sei, eine Journalistin um die dreißig, verheiratet mit einem Angestellten des Außenministeriums, aus Aserbaidschan stammend. Nach einer Stunde rief sein Mann an und teilte ihm mit, es gebe in Moskau keine Larissa Lebedewa mit den genannten biographischen Eckdaten. Das heißt, Lebedewas gebe es wie Sand am Meer, aber die kämen entweder vom Alter, vom Beruf oder vom Geburtsort nicht infrage. Damit war die erste Stufe der Überprüfung erledigt, als Nächstes hatte Pawlow ein ziemlich geschicktes Manöver vor. Er wollte zu Gordejew fahren, angeblich, um sich nach dem Stand der Suche nach dem Mörder zu erkundigen, und ihn nebenbei um eine Personenüberprüfung der Lebedewa bitten. Wenn sie mit ihnen zusammenarbeitete und auf ihre Anweisung handelte, würde Gordejew ihre Identität auf jeden Fall bestätigen und ihre Legende Wort für Wort wiederholen. Pawlow war stolz auf seine Schläue. Im Fall des Falles schlug er auf diese Weise zwei Fliegen mit einer Klappe: Er klärte nicht nur die Identität der Erpresserin, sondern zeigte, falls sie mit Gordejew zusammenarbeitete, dass er nicht verschreckt war, dass er nichts zu verbergen hatte, dass alle Verdächtigungen gegen ihn völlig grundlos waren -schließlich hatte er keine Scheu, sich mit seinem Problem an Gordejew zu wenden.
Obgleich Pawlow Gordejew angerufen und sein Kommen angekündigt hatte, wär Gordejew nicht an seinem Platz. Pawlow rüttelte an der verschlossenen Bürotür und trat unentschlossen ans Fenster; er überlegte, ob er auf Gordejew warten oder später noch einmal wiederkommen sollte. Er wollte den Besuch nicht aufschieben, denn es war bereits kurz vor zwölf, um halb sechs würde Larissa anrufen, und bis dahin musste er auf das Gespräch mit ihr vorbereitet sein. Er hörte eilige Schritte im Flur, drehte sich um und erblickte Igor Lesnikow.
»Wollen Sie zu Gordejew? Er ist beim General, kommen Sie in zwei Stunden nochmal vorbei«, rief der ihm zu.
Zwei Stunden! Das war Pawlow gar nicht recht. Er ging Lesnikow entschlossen entgegen und reichte ihm mit einer selbstsicheren Geste die Hand.
»Oberst Pawlow. Stab des Russischen Innenministeriums«, stellte er sich vor.
»Hauptmann Lesnikow, Abteilung Kapitalverbrechen.« Igor lächelte und drückte fest die dargebotene Hand. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
»Ich glaube schon.«
»Gehen wir in mein Büro.«
Igor führte Pawlow über den Flur, schloss eine Tür auf und ließ den Besucher eintreten.
»Ich heiße Igor Valentinowitsch. Was haben Sie für Probleme?«
»Sehen Sie, Igor Valentinowitsch, ich interessiere mich für eine Frau«, Pawlow stockte ein wenig, »eine schöne Frau, aber sie verhält sich ein wenig seltsam. Sie war bei einer Pressekonferenz im Ministerium, hat mich interviewt zu Fragen der Bekämpfung der Korruption, aber irgendetwas an ihr macht mich misstrauisch. Mit einem Wort . . .«
»Ich verstehe, Genosse Oberst. Sie möchten, dass ich ihre Identität beim Einwohnermeldeamt überprüfen lasse? Wird sofort gemacht.« Igor schlug ein Notizbuch auf. »Schießen Sie los.«
Pawlow diktierte ihm alles, was er über Larissa Lebedewa wusste.
»Vatersname?«
»Den Vatersnamen weiß ich nicht.« Pawlow hob bedauernd die Hände.
Lesnikow wählte eine Telefonnummer, verhandelte lange, machte sich Notizen, fragte nach, bat um nochmalige Überprüfung, bis er schließlich auflegte und sagte:
»Ich muss Sie enttäuschen, Genosse Oberst. Entweder Sie haben etwas falsch verstanden, oder sie hat Ihnen nicht die Wahrheit gesagt. Eine solche Larissa Lebedewa ist in Moskau nicht gemeldet.«
»Das habe ich mir gedacht.« Pawlow atmete erleichtert auf. »Vielen Dank. Ich will Sie nicht länger aufhalten, Igor Valentinowitsch, richten Sie Gordejew aus, dass ich da war, aber nicht auf ihn warten konnte.«
»Ich richte es aus. Alles Gute.«
Igor stand eine Weile am Fenster und wartete, bis er Pawlow in den Hof kommen sah. Als er sich überzeugt hatte, dass er den Posten passiert hatte und zu seinem Auto ging, griff Lesnikow zum Telefon und wählte eine Nummer im Haus.
»Alles in Ordnung, Viktor Alexejewitsch. Er ist gegangen.«
»Gut gemacht«, lautete die knappe Antwort.
Pünktlich um siebzehn Uhr dreißig klingelte im Büro des Hauptsachverständigen Pawlow das Telefon. Pawlow nahm ohne Eile ab, begrüßte Larissa
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