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Anastasija 06 - Widrige Umstände

Anastasija 06 - Widrige Umstände

Titel: Anastasija 06 - Widrige Umstände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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bei Ihnen zu Hause, Ihre Frau hat mir gesagt, dass Sie im Park mit dem Hund spazieren gehen. Ganz einfach. Ich wollte Ihnen für Rudnik danken. Und wie unter Geschäftsleuten üblich, habe ich meinen Dank materialisiert.«
    Sie holte eine in Pergamentpapier eingewickelte Flasche aus ihrer Tasche.
    »Nicht doch, Larissa, das ist nicht nötig, wirklich. Das ist mir peinlich«, protestierte Pawlow.
    »Doch, Alexander Jewgenjewitsch, das ist nötig. Entschuldigen Sie, dass ich Sie in Ihrer Freizeit belästige, aber es ist besser so.«
    Etwas in ihrer Stimme ließ Pawlow stutzen. Ein ungutes Gefühl versetzte ihm einen Stich. Er streckte die Hand aus und griff nach der Flasche.
    »Ich habe noch ein Geschenk für Sie«, fuhr die Lebedewa fort. »Es ist in diesem Umschlag. Sehen Sie es sich gelegentlich mal an, es wird Sie interessieren. Vielleicht aber auch nicht. Sollte der Inhalt des Kuverts Sie interessieren, könnten wir morgen Abend zusammen essen. Ich werde Sie anrufen, um Ihre Antwort zu erfahren. Um welche Zeit?«
    »Um fünf«, antwortete Pawlow zerstreut, besann sich aber sofort. »Nein, warten Sie, morgen um fünf bin ich vielleicht nicht in meinem Büro. Um halb sechs.«
    »Abgemacht, Alexander Jewgenjewitsch«, sagte Larissa fröhlich. »Ich rufe Sie morgen um siebzehn Uhr dreißig an. Gute Nacht.«
    Sie verschwand ebenso rasch, wie sie aufgetaucht war. Pawlow hörte, wie eine Autotür zugeschlagen und ein Motor angelassen wurde.
    Als er sich von der Überraschung erholt hatte, fiel ihm ein, dass er Larissa nie seine Adresse gegeben hatte. Wie hatte sie ihn gefunden? Sogar bei ihm zu Hause war sie gewesen. Ganz schön dreist! Nun würde er sich vor seiner Frau rechtfertigen müssen. Was mochte in dem Umschlag sein? Er wollte ihn sofort aufmachen, aber die Dämmerung war inzwischen so dicht, dass er nichts hätte erkennen können. Er musste sich bis zu Hause gedulden.
    Zu seinem Erstaunen verlor seine Frau kein Wort über Larissa.
    »Hat jemand angerufen?«, fragte er vorsichtig.
    »Nein«, antwortete seine Frau gelassen. »Erwartest du denn einen Anruf?«
    Komisch, dachte Pawlow, ging in sein Zimmer, setzte seine Brille auf und öffnete das Kuvert. Zuerst begriff er nicht, was das für Blätter waren, stellte nur fest, dass das Papier schlecht war, der Text kaum zu erkennen und am Rand mit schwarzen Kugelschreibernotizen versehen. Es waren insgesamt vier Blätter, oben standen Seitenzahlen: 24, 97 und 153. Das letzte Blatt war nicht nummeriert. Es war das Titelblatt der Monographie: »Kriminologie. Korruption. Macht.« von Irina Filatowa. Bis zum Anruf der Lebedewa blieben noch zwanzig Stunden.

Neuntes Kapitel
    In diesen zwanzig Stunden versuchte Pawlow, die Situation möglichst objektiv einzuschätzen. Es gab zwei Varianten. Entweder, die Lebedewa arbeitete für die Petrowka, dann stand er unter Verdacht und sollte provoziert werden. Oder sie war eine gewöhnliche Erpresserin. Wie war sie an das Manuskript gelangt? Vermutlich hatte derjenige, der im Büro der Filatowa danach suchen sollte, alle vier Exemplare gefunden, drei abgeliefert und eins behalten, um aus Pawlow Geld rauszuholen. Wenn es so war, dann war alles in Ordnung, er konnte das Manuskript kaufen, und die Sache wäre erledigt. Derjenige, der es verkaufte, kannte seinen wahren Wert nicht. Wenn aber Larissa das Exemplar auf andere Weise bekommen hatte, wenn sie nicht im Namen dieses Typen handelte, sondern von sich aus, und wenn sie das Manuskript gelesen hatte, dann war die Situation problematischer. Sie war die dritte Person, die den Text von Pawlows Dissertation kannte, neben Pawlow selbst und natürlich der Filatowa. Wer weiß, zu welchen Schlüssen sie gekommen war. Doch wenn das Mädchen nicht von der Petrowka war, konnte sie eigentlich zu keinen besonderen Schlüssen gelangt sein. Er konnte immer sagen, dass die Filatowa seine Geliebte war, dass er ihr bei ihrer Monographie helfen wollte und ihr erlaubt habe, seine Dissertation zu benutzen – Dissertationen wurden ohnehin von niemandem gelesen, sollte sie der Geliebten wenigstens zu einer Publikation verhelfen. Es war ja nicht seine Schuld, dass sie seine Großzügigkeit so unverschämt ausgenutzt und alles wortwörtlich abgeschrieben hatte. Natürlich, es war ein Plagiat, aber über Tote soll man nicht richten. Die Aufgabe war also leicht zu lösen: Er musste herausfinden, ob die Lebedewa mit der Mordermittlung zu tun hatte. Wenn nicht, würde er auf keinen Fall zahlen, dann war sie nicht

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