Anastasija 06 - Widrige Umstände
Autogeschichte nichts wissen. Aber die Miliz weiß davon. Und wie du an meine Adresse gekommen bist, ist mir auch noch unklar. Wie hast du mich gefunden? Von Pawlow hast du die Adresse nicht, oder?«
»Woher willst du das wissen? Er arbeitet im Innenministerium, für den ist es ein Klacks, deine Adresse rauszufinden.«
»Erzähl keine Märchen.« Sie schürzte verächtlich die Lippen. »Ich bin hier nicht gemeldet. Nur mein Exmann, und der heißt anders als ich. Ich werde bis an mein Lebensende stolz darauf sein, dass ein Milizhauptmann für mich ein Omelett gemacht hat. Oder bist du schon Major? Zeig mir mal deinen Ausweis, ich will sehen, wie du in Uniform aussiehst.«
»Und du, heißt du wirklich Larissa?«, parierte der Gallier. »Zeig mir mal deinen Ausweis.«
»Du verbietest mir ja das Aufstehen«, spottete sie. »Hol meine Handtasche aus dem Flur.«
Ohne den Blick von der Frau zu wenden, ging der Gallier langsam in den Flur und kam mit der Tasche zurück. Nastja streckte die Hand aus, aber er zog selbst den Reißverschluss auf und schüttete den Inhalt auf den Küchentisch.
»Unverschämtheit!«, empörte sie sich.
Der Gallier ignorierte sie und schlug den Ausweis auf. Nastja war vollkommen gelassen, sie wusste, dass Jura Korotkow gute Arbeit geleistet hatte. Und den Inhalt der Tasche überprüfte sie mehrmals am Tag, da dürfte nichts Verdächtiges zu finden sein.
»Na, hast du dich überzeugt, Kontrolleur?«, fragte sie spöttisch. »Jetzt spül das Geschirr und koch der Dame einen Kaffee. Und zeig mir deine Papiere, der Fairness halber.«
»Vergiss es«, knurrte der Gallier und sammelte die über den Tisch verstreuten Utensilien wieder in die Tasche.
»Aber einen Vornamen wirst du doch haben? Ich muss mich schließlich die ganze Nacht mit dir unterhalten.«
»Klar hab ich einen. Such dir einen aus, der dir gefällt. Wassja oder Petja, ganz egal.«
»Mir gefällt der ausgefallene Name Emmanuel. Darf ich dich Emmanuel nennen?«
»Nenn mich, wie du willst. Welcher Schwamm ist zum Abwaschen?«
Der Gallier räumte Teller und Gabeln in die Spüle und band sich ganz selbstverständlich die Schürze um, die am Haken hing.
»Nein, mein kleiner Hausmann, Emmanuel passt nicht zu dir. Lieber was Schlichteres. Ich hab’s! Michrjutka. Okay?«
»Was tut sie da?«, sagte Korotkow entsetzt. »Warum reizt sie ihn? Sie wird ihn zur Weißglut treiben, und dann tötet er sie aus lauter Wut. Ausgerechnet einen Auftragskiller verspotten! Ist sie verrückt?«
»Das Schlimme ist, dass wir gar nicht wissen, ob er der Mörder ist oder nicht. Hoffen wir, dass sie es uns wissen lässt. Hast du Larzew gefunden?«
»Er ist nirgends – weder zu Hause noch im Büro.«
»Hast du bei seinen Eltern angerufen?«
»Hab ich. Sie wissen nichts.«
»Und seine Schwiegereltern?«
»Seine Frau ist aus Kuibyschew. Ihre Eltern leben dort.«
»Wo treibt er sich bloß rum? Schlamperei!«
Der Gallier goss den dampfenden Kaffee ein.
Er überlegte, dass das Leben, wenn man mal alles vergaß, erstaunlich angenehm sein konnte. Eine saubere, gemütliche Küche, eine schöne Frau in einem eleganten Negligé, ein starker, heißer Kaffee, ein entspanntes Gespräch – die reinste Familienidylle! Warum gab es in seinem Leben keinen solchen Ort?
»Genug Zucker?«, fragte er, als Nastja einen Schluck nahm.
»Genau richtig, danke. Gib mir bitte die Zigaretten rüber.«
Der Gallier reichte ihr die Schachtel und das Feuerzeug und rückte ihr den Aschenbecher hin. Unwillkürlich bewunderte er ihre langen, tadellos manikürten Finger, als sie eine Zigarette herausnahm.
»Und du, rauchst du nicht?«, fragte sie, nachdem sie einen tiefen Zug gemacht hatte.
»Nein. Hab ich noch nie. Und warum vergiftest du dich, wenn du Herzprobleme hast?«
»Ach, was soll’s.«
Nastja malte mit der Zigarette ein verschnörkeltes Zeichen in die Luft.
»Wer interessiert sich schon für meine Gesundheit. Mich braucht doch sowieso niemand. Ich habe keinen Mann, keine Kinder. Meine Eltern leben weit weg, die haben mich vielleicht längst vergessen. Was erwartet mich denn? Ein einsames Ende im Altenheim. Eine schöne Aussicht. Lieber gar nicht erst so alt werden.«
Der Gallier begriff, dass sie diesmal nicht scherzte. In ihren Augen stand echter Schmerz.
»Du könntest wieder heiraten. Du bist klug, schön und reich. Warum gibst du dich schon auf?«
»Heiraten?« Sie schnippte die Asche ab. »O nein! Ich bin das Alleinsein gewöhnt. Wenn man sich nur auf
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