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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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dumme
oder ungehobelte Person, vor allem eine, die auf diese Eigenschaften auch noch stolz ist. Anmerkung: Diese Bedeutung ist abwertend, weil sie voraussetzt, dass ein Dard wegen angeborener persönlicher Defizite oder perverser Entscheidungen ein Dard ist; Bedeutung (2) wird bevorzugt, weil sie keine derartigen Vorstellungen weckt.
    DAS WÖRTERBUCH, 4. Auflage, A. R. 3000
    Jesry und ich gingen zum ersten Mal nach zehn Jahren hinaus.
    Als Erstes fiel mir auf, dass die Leute eine Menge Müll außen an unsere Mauer gelehnt hatten. Manches davon offensichtlich sogar an die Tore, aber das hatte jemand zur Vorbereitung der Apert beiseitegeräumt.
    In diesem Zeitalter war das Viertel vor dem Jahrzehnttor das, in dem die Handwerker ihre Werkstätten hatten, und so handelte es sich bei dem Zeug, das an den Mauern lehnte, vor allem um Bauholz, Rohre, Kabel- und Schlauchrollen und Werkzeuge mit langen Griffen. Schweigend gingen wir eine Weile dahin und schauten uns nur um. Aber früher, als man hätte denken können, gewöhnten wir uns daran und vergaßen, dass wir Fraas waren.
    »Meinst du, diese Frau wollte eine Liaison mit dir eingehen?«, fragte ich.
    »Eine – wie nennst du es …«
    »Eine atlanische Liaison.« Benannt nach einem dezenarischen Fraa des siebzehnten Jahrhunderts A. R., der seine wahre Liebe alle zehn Jahre zehn Tage lang sah und den Rest der Zeit damit zubrachte, ihr Gedichte zu schreiben und diese aus dem Math hinauszuschmuggeln. Es waren wirklich schöne Gedichte, die an verschiedenen Stellen in Stein graviert sind.
    »Warum meinst du, eine Frau könnte so etwas wollen?«, fragte er sich.
    »Na ja, keine Gefahr, schwanger zu werden, wenn dein Partner ein Fraa ist«, bemerkte ich.
    »Das mag manchmal von Bedeutung sein, aber ich denke, für sie ist es heutzutage nicht schwer, Empfängnisverhütung zu betreiben.«
    »Ich wollte einen Witz machen.«
    »Oh. Entschuldige. Na ja … vielleicht will sie mich ja wegen meines Verstandes.«

    »Oder wegen deiner spirituellen Eigenschaften.«
    »Hä? Meinst du, sie ist eine Art Deolatistin?«
    »Hast du nicht gesehen, mit wem sie da war?«
    »So einem – keine Ahnung – ein Kontingent nennen sie es, glaube ich.«
    »Das waren garantiert Himmelswartleute. Ihr Anführer war mit einer Art Kordnachbildung ausstaffiert.«
    Wir waren so weit gegangen, dass das Jahrzehnttor hinter einer Biegung außer Sicht geraten war. Ich blickte kurz zum Praesidium hinauf. Die Megalithen, die am Rand des Sternrunds aufragten, dienten mir als Orientierungspunkte. Wir waren jetzt an einer breiteren Straße angelangt, die mehr oder minder parallel zum Fluss verlief. Wenn wir sie überquerten und immer weiter gingen, würden wir in ein von Burghern bewohntes Viertel mit herrschaftlichen Häusern kommen. Wenn wir ihr nach rechts folgten, würde sie uns ins Geschäftsviertel bringen, und am Ende könnten wir in einer Schleife durch das Tagestor zurückkommen. Nach links verlor sie sich in den Trabantenstädten, in denen ich meine ersten acht Jahre verbracht hatte.
    »Bringen wir es also hinter uns«, sagte ich und wandte mich nach links.
    Nachdem wir ein paar Schritte gegangen waren, sagte Jesry: »Noch mal?«, was seine lästige Art war, eine Klarstellung zu verlangen. »Der Himmelswart?«
    »Moshianer«, sagte ich, und dann erzählte ich ihm eine Weile von Fraa Orolos Unterredungen mit Flec und Quin.
    Während wir weitergingen, änderte sich die Umgebung: weniger Werkstätten, mehr Lagerhäuser. Diesen Teil des Flusses konnten Lastkähne befahren, weshalb die Leute hier Waren lagerten. Jetzt sahen wir mehr Fahrzeuge: eine Menge Tromms, die bis zu einem Dutzend Räder hatten und zum Transport großer, schwerer Gegenstände durch Bezirke wie diesen benutzt wurden. Sie sahen genau so aus wie in meiner Erinnerung. Außerdem wuselten ein paar Hole umher, auf denen hinten kleinere Ladungen befestigt waren. Sie waren bunter. Die Männer, denen sie gehörten, waren in der Regel Handwerker, und sie hatten offensichtlich viel Zeit damit verbracht, Farbe und Form ihrer Fahrzeuge zu verändern, und das anscheinend nur zu ihrem eigenen Vergnügen. Vielleicht war es aber auch eine Art Wettstreit wie das Federkleid bei Vögeln. Jedenfalls hatten
die Stile sich ein wenig gewandelt, und so unterbrachen Jesry und ich jedes Mal, wenn ein besonders seltsamer oder auffällig bunter Hol vorbeikam, unser Gespräch und starrten ihn an.
    »Also, ich habe dieses ganze Himmelswartzeug gar nicht mitbekommen«,

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