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Anatomie

Anatomie

Titel: Anatomie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bass jefferson
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blickte mich argwöhnisch an. »Warum stellen Sie mir all diese Fragen? Das ist dreißig Jahre her, und wir haben sie seither nicht mehr gesehen. Nicht, seit sie in Schwierigkeiten geriet und weggelaufen ist. Wir haben auch nie mehr was von ihr gehört – nicht mal ein ›mit eurem Einverständnis‹ oder ›lebt wohl‹ oder ›danke für alles‹. Sie hat ganz allein entschieden, wie sie sich bettet, und ich weiß nicht, mit wem sie gelegen hat, aber wir waren es nicht. Also, wir trauern ihr nicht nach, würde ich sagen.«
    Im Haus begann ein Telefon zu läuten. Es war ein raues, metallisches Bimmeln, wie ich es seit Jahren nicht mehr gehört hatte. Ich erwartete, einen Anrufbeantworter anspringen zu hören, doch das Telefon klingelte ohne Unterlass. Je länger es klingelte, desto nervöser wurde ich, wer Mrs. Kitchings wohl anrief und was passieren würde, wenn sie dem Anrufer sagte, dass sie sich gerade mit mir unterhielt. Sie zupfte am Stoff ihres Hauskleids, und ich sah, dass sie gerne an den Apparat gegangen wäre. Ich wollte nicht die Gefahr eingehen, während des Gesprächs hierzubleiben, also drückte ich mich aus dem platt geschaukelten Stuhl hoch. »Klingt so, als wollte jemand wirklich dringend mit Ihnen sprechen. Schätze, ich sollte Sie nicht länger aufhalten.«
    Sie wirkte verdutzt, dass ich so schnell den Abgang machte. Im Süden war es üblich, sich eine halbe Stunde oder länger zu verabschieden, aber ich konnte diesen ausgedehnten Verabschiedungen nichts abgewinnen. Ich dankte ihr für ihre Zeit und eilte die Stufen hinunter.
    An der Fliegengittertür zögerte sie, als wollte sie sicherstellen, dass ich auch wirklich ging. Als ich mich umdrehte, um noch einmal zu winken, fiel mir etwas auf, was ich vorher nicht bemerkt hatte. Von der Rückseite des Hauses, wo wahrscheinlich die Küche, eine Hintertür und eine zweite Veranda lagen, führte ein schmaler Pfad dicht an der Baumgrenze am Fuß des Steilhangs entlang direkt zum gesprengten Eingang der Höhle.

31
    Staatsanwalt Bob Roper sah aus, als hätte er drei Tage keinen Schlaf bekommen. Burt DeVriess sah aus, als hätte er gerade im Lotto gewonnen. Wir hatten uns im Büro von Richter Barr versammelt, um die Obduktionsergebnisse zu besprechen. »Gentlemen, lassen Sie uns fortfahren«, sagte der Richter. »Dies ist äußerst ungewöhnlich, aber da Mr. Roper um diese Besprechung gebeten hat und Mr. DeVriess einverstanden war, bin ich bereit, ein informelles Gespräch über diesen Fall zu führen. In zehn Minuten muss ich im Gerichtssaal sein, also sollten wir gleich auf den Punkt kommen.«
    DeVriess tat dies nur allzu gern. »Euer Ehren, ich denke, das Ergebnis der Exhumierung spricht für sich«, triumphierte er.
    »Und warum sprechen Sie dann, Mr. DeVriess? Seien Sie bitte still.« Ich unterdrückte ein Grinsen oder versuchte es zumindest halbwegs. »Dr. Brockton, ich habe Ihren Bericht gelesen sowie den von Dr. Carter. Vielen Dank für Ihre rasche und gründliche Arbeit.« Ich nickte, da es mir angeraten schien, den Mund nur aufzumachen, wenn ich gefragt wurde. »Mr. Roper, haben Sie den Bericht gelesen?« Roper nickte unglücklich. »Und was sagen Sie dazu? Widerspricht Ihr forensischer Anthropologe Dr. Brocktons Schlussfolgerungen?«
    Roper äußerte sich vorsichtig. »Euer Ehren, so sehr wir Dr. Brockton und Dr. Carter auch schätzen, gibt es in dem Fall andere Beweise, die die Anklage der Staatsanwaltschaft erhärten.«
    Der Richter stürzte sich auf ihn. »Die da wären?« Roper holte tief Luft wie ein Mann, der lange Zeit unter Wasser schwimmen will, doch Barr schnitt ihm das Wort ab. »Um Himmels willen, Bob, beugen Sie höheren Verlusten vor. Der Medical Examiner hat die Obduktion vermasselt, und das wissen Sie. Wenn Dr. Hamilton nichts gegen Sie in der Hand hat, was Ihre Karriere ruinieren oder Ihre Ehe zerstören könnte, sollten Sie in den sauren Apfel beißen und die Klage zurückziehen. Es ist peinlich, aber nicht so peinlich wie eine Niederlage vor Gericht. Ich kann Ihnen so gut wie garantieren, dass Sie diesen Fall nicht gewinnen werden, und obendrein setzen Sie sich der Gefahr einer Klage wegen böswilliger Rechtsverfolgung aus. Wenn Sie jedoch die Klage fallen lassen und sich bei dem Angeklagten entschuldigen, stehen Sie da wie ein guter Kerl. Sie können sich darüber auslassen, dass Wahrheit und Gerechtigkeit obsiegt haben, und Sie können die Rehabilitation eines Unschuldigen feiern. Es ist der beste Handel, mit

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