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Anatomie

Anatomie

Titel: Anatomie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bass jefferson
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köstlich, dass sie die langen Arbeitszeiten und das niedrige Gehalt, die das Leben als Landpfarrer bestimmten, wieder wettmachten.
    Ich zog die Fliegengittertür auf und fügte damit meine eigene bescheidene Markierung zu den in den Fußboden gekratzten Geschichten hinzu. Die rostigen Scharniere quietschten genau in der haarsträubenden Tonlage, in der auch die Scharniere an der Fliegengittertür meiner Großmutter einst gejault hatten. Mein Klopfen an der Haustür ließ die Fenster erzittern, deren Kitt mit der Zeit geschrumpft und gerissen war.
    Es kam keine Antwort, also klopfte ich noch einmal, bevor ich die Fliegengittertür wieder schloss, um nicht zu aufdringlich zu erscheinen. Nach einem Augenblick hörte ich langsame, knarrende Schritte. Ein Spitzenvorhang wurde leicht zur Seite gezogen, wieder losgelassen, und dann hörte ich das Klicken, mit dem ein altmodisches Schloss geöffnet wurde. Eine ältere Frau schaute mich stirnrunzelnd durch das staubige Fliegengitter an.
    »Ja?«
    »Sind Sie Mrs. Kitchings?«
    »Ja.«
    »Es tut mir leid, Sie zu belästigen, Madam, aber ich hatte gehofft, ein paar Minuten mit Ihnen reden zu können. Ich bin Dr. Bill Brockton, und ich bin hier oben, weil ich Ihrem Sohn Tom bei der Aufklärung eines Falles helfe.«
    »Was für ein Fall?«
    »Nun, ein alter Fall, der erst jetzt ans Tageslicht gekommen ist. Der Tod … der Mord … an einer jungen Frau, die, soweit man mir gesagt hat, Ihre Nichte war.«
    »Oh, ja … Evelina. Tommy hat mir erzählt, dass Leena gefunden wurde. Erwürgt. Nach all den Jahren. Was für eine Schande.«
    »Ja, Madam. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich hereinzulassen und mit mir darüber zu reden?«
    »Nun, darüber muss ich erst nachdenken. Tommy ist Sheriff, und ich habe ihm alles erzählt, was ich weiß. Sie ist eines Tages einfach weggelaufen. Wir haben damals nicht gewusst, warum. Tommy sagte, Sie hätten herausgefunden, dass sie in anderen Umständen war. Ich schätze, das erklärt die Sache. Wir haben sie nie wiedergesehen. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Mrs. Kitchings, ich weiß, dass es lange her ist, und es ist womöglich schwer, sich an Einzelheiten zu erinnern, aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Ihnen gerne ein paar Fragen stellen. Vielleicht erinnern Sie sich an etwas, was uns weiterhelfen könnte.« Die dünne Fliegengittertür war wie eine unüberwindliche Hürde zwischen uns. »Könnte ich vielleicht hereinkommen? Nur für ein paar Minuten?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, Doktor, aber mein Mann ist nicht zu Hause, und ich lasse keine fremden Männer ins Haus, wenn ich allein bin.«
    »Ich bin nicht so fremd, wie ich aussehe, und ich verspreche Ihnen, dass ich nicht beiße.« Das fand sie gar nicht lustig. »Wissen Sie was, es ist ein schöner Tag, wie wäre es, wenn wir uns hier draußen auf die Veranda auf die Schaukelstühle setzten?«
    Sie runzelte die Stirn, schob aber die Fliegengittertür auf und trat heraus auf die Veranda. Ich ging zu dem hohen Stuhl, um ihr den kleineren zu überlassen, doch sie streckte eine knochige Hand aus, um mich aufzuhalten. »Das ist meiner«, sagte sie. »Sie können Thomas’ Stuhl dort nehmen.« Sie ließ sich auf dem großen Stuhl nieder und stieß sich einige Male kräftig ab.
    »Sie holen auf jeden Fall das Beste aus so einem Schaukelstuhl raus«, sagte ich.
    Sie zauderte kein einziges Mal. »Schaukel deine Sorgen weg, das hat meine Mutter mir immer gesagt.«
    »Funktioniert es?«
    »Ich weiß nicht. Hab nie versucht, nicht zu schaukeln. Wenigstens hat man dann etwas zu tun, während man sich Sorgen macht. Und es kräftigt obendrein die Beine.«
    Ich lachte. »Ich sollte mir wohl einen Schaukelstuhl kaufen, wenn ich wieder in Knoxville bin.« Ich versuchte, auf dem Stuhl mit der Rückenlehne aus gedrechselten Sprossen einen Rhythmus zu finden, aber kaum hatte ich ein bisschen Schwung in die eine Richtung, stieß ich auch schon wieder auf die flache Stelle, ruckte zurück in die andere Richtung und kam knirschend zum Stehen. »Der hier muss vielleicht mal gewartet werden. Ich kriege überhaupt keinen Schwung.«
    »Thomas ist nicht so fürs Schaukeln. Er macht zwar freundlich die Bewegungen mit, aber mit dem Herzen ist er nicht dabei.«
    »Was macht er denn mit seinen Sorgen?«
    »Betet sie weg. Predigt sie weg. Geht auf Waschbärenjagd und ist sie los, wenn er wiederkommt. Jeder hat so seine eigenen Methoden.«
    »Erzählen Sie mir von

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