Anbetung
muss, oder?«
»Nein.«
»Es ist nicht fair ihr gegenüber, Oddie. Nicht fair euch beiden gegenüber.«
»Sie verdient … ihr nächstes Abenteuer«, sagte ich.
»Es ist an der Zeit, Oddie«, sagte Terri, der die Erinnerung an Kelsey, ihren verstorbenen Mann, tief in die Seele eingeprägt ist.
Zitternd vor Angst vor einem Leben ohne Stormy, stand ich vom Sofa auf und trat zögernd zu ihr. Natürlich trug sie noch immer ihre Kluft aus der Eisdiele, wenn auch ohne die kecke rosa Mütze, und doch hatte sie nie schöner ausgesehen.
Meine Freunde hatten nicht gewusst, wo sie stand, bis ich vor sie trat und eine Hand an ihr geliebtes Gesicht legte. Es fühlte sich so warm an.
Die Toten können nicht sprechen, aber Stormy sprach schweigend drei Worte, indem sie die Lippen bewegte. Ich liebe dich.
Ich küsste sie, meine tote Liebste, ganz zart und keusch. Ich hielt sie in den Armen, vergrub mein Gesicht in ihrem Haar, schmiegte es an ihren Hals.
Nach einer Weile griff sie mir mit der Hand unters Kinn. Ich hob den Kopf.
Vier weitere Worte. Sei glücklich. Und beharrlich.
»Im Dienst sehen wir uns wieder«, versprach ich, denn so nennt sie das Leben, das nach dem Ausbildungslager kommt.
Ihre Augen. Ihr Lächeln. Nun ist es nur noch in der Erinnerung mein.
Ich ließ sie los. Sie wandte sich ab, tat drei Schritte und verblasste. Sie sah über die Schulter, ich streckte die Hand nach ihr aus, und da war sie fort.
67
Inzwischen lebe ich allein in Stormys Wohnung mit ihrer geschickten Mischung aus Secondhandmöbeln. Die alten Bodenlampen mit Seidenschirm und perlenverzierten Fransen. Die nüchternen Holzsessel mit den viktorianischen Fußschemeln, die einen ganz anderen Stil haben. Die Drucke von Maxfield Parrish und die Vasen aus buntem Pressglas.
Stormy hat in diesem Leben nie viel besessen, aber mit den einfachsten Dingen hat sie ihren Winkel der Welt so schön herausgeputzt wie einen königlichen Palast. Auch wenn uns jeder Reichtum fehlt, der größte Schatz ist das, was in unserem Herzen liegt.
Ich sehe noch immer tote Menschen, und von Zeit zu Zeit muss ich in diesem Zusammenhang etwas unternehmen. Wie gewohnt hat diese aktive Strategie oft eine ungewöhnliche Menge schmutziger Wäsche zur Folge.
Wenn ich manchmal mitten in der Nacht aufwache, meine ich ihre Stimme zu hören: Klär mich mal auf, du komischer Kauz. Ich schaue mich nach ihr um, aber sie ist nie da. Trotzdem ist sie immer da. Deshalb kläre ich sie auf und erzähle ihr alles, was mir in letzter Zeit begegnet ist.
Elvis hält sich jetzt öfter in meiner Nähe auf als früher. Er schaut mir gern beim Essen zu. Ich habe mehrere seiner CDs gekauft, und manchmal sitzen wir zusammen im warmen, seidigen Licht des Wohnzimmers und hören seine Stimme aus der Zeit, in der er jung und lebendig war und wusste, wohin er gehörte.
Stormy hat geglaubt, wir seien in diesem Ausbildungslager, um zu lernen. Wenn wir uns nicht beharrlich durch die vielen Hindernisse und Wunden dieser Welt kämpften, dann würden wir uns nicht unser nächstes Leben verdienen, das große Abenteuer. Um wieder bei ihr zu sein, werde ich die Beharrlichkeit einer Bulldogge an den Tag legen, wenngleich es mir so vorkommt, als wäre die Ausbildung unnötig hart.
Mein Name ist Odd Thomas. Ich bin Grillkoch. Ich führe ein ungewöhnliches Leben hier in Pico Mundo, meiner kleinen Welt. Mit ihr und mir bin ich in Frieden.
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
Odd Thomas bei Bantam Books, N. Y.
Copyright © 2003 by Dean Koontz
Copyright © 2006 der deutschen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Redaktion: Patrick Niemeyer
Herstellung: Helga Schörnig
Gesetzt aus der Aldus 10,65/14,6 pt bei Leingärtner, Nabburg
eISBN 978-3-641-07845-4
www.heyne.de
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