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Anbetung

Anbetung

Titel: Anbetung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Nightingale klingt das nicht gerade. In Zukunft werd ich einen Sackschoner tragen.«
    Stormy öffnete die Tür am Ende der Wendeltreppe.
    Eine Batterie aus drei Bronzeglocken, alle mächtig, wenn auch unterschiedlich groß, hing in der Mitte des luftigen Raums von der Decke. Ein knapp zwei Meter breiter Gang führte rundherum.
    Die Glocken hatten um sieben zur Abendandacht geläutet und blieben nun bis zur Morgenmesse stumm.
    An drei Seiten war der Turm hier bis auf eine hüfthohe Mauer offen und bot einen herrlichen Blick auf Pico Mundo, das Maravilla Valley und die Hügel im Hintergrund. Wir postierten uns an der Westseite, um den Sonnenuntergang genießen zu können.
    Aus dem Picknickkorb holte Stormy einen Tupperware-Behälter mit Walnusskernen, die sie frittiert und leicht mit Salz und Zucker besprenkelt hatte. Sie steckte mir einen in den Mund. Köstlich – sowohl die Walnuss, als auch von Stormy gefüttert zu werden.
    Ich entkorkte eine Flasche guten Merlot und goss ein, während sie die Weingläser hielt.
    Deshalb hatte ich vorher das Glas Cabernet nicht geleert: So sehr ich Little Ozzie mochte, ich wollte lieber mit Stormy trinken.
    Wir speisen nicht jeden Abend hier oben, nur zwei- oder dreimal im Monat, wenn Stormy hoch über der Welt sein will. Und dem Himmel näher.
    »Auf Ozzie«, sagte sie und hob das Glas. »Und auf die Hoffnung, dass alles, was ihn bedrückt, eines Tages ein Ende hat.«
    Ich fragte nicht, was sie meinte, weil ich es zu wissen glaubte. Wegen der Last seines Gewichts gab es vieles, was Ozzie versagt geblieben war und was er vielleicht nie erleben würde.
    Am westlichen Horizont war der Himmel ockerfarben, an seinem aufsteigenden Gewölbe rot wie eine Blutorange, direkt
über uns verdüsterte er sich zu dunklem Purpur. Im Osten würden bald die ersten Sterne der Nacht funkeln.
    »Der Himmel ist so klar«, sagte Stormy. »Heute Nacht können wir bestimmt die Kassiopeia sehen.«
    Das bezog sich natürlich auf das nördliche Sternbild, das nach einer Gestalt aus der griechischen Mythologie benannt ist, aber Cassiopeia war auch der Name von Stormys Mutter, die starb, als Stormy sieben Jahre alt war. Beim selben Flugzeugabsturz kam auch ihr Vater ums Leben.
    Da sie außer ihrem Onkel – dem Pfarrer – keine nahen Verwandten hatte, war sie zur Adoption freigegeben worden. Als das nach drei Monaten aus guten Gründen scheiterte, erklärte sie unzweideutig, sie wolle keine neuen Eltern, nur die Rückkehr derer, die sie geliebt und verloren hatte.
    Bis sie mit siebzehn die Highschool abschloss, wuchs sie in einem Waisenhaus auf. Danach stand sie bis zu ihrem achtzehnten Geburtstag unter der Vormundschaft ihres Onkels.
    Für die Nichte eines Geistlichen hat Stormy eine merkwürdige Beziehung zu Gott. Es ist Zorn darin – immer ein wenig, manchmal viel.
    »Wie steht es mit dem Pilzmann?«, fragte sie.
    »Terrible Chester mag ihn nicht.«
    »Terrible Chester mag niemanden.«
    »Ich glaube, Chester hat sogar Angst vor ihm.«
    »Das ist tatsächlich was Neues.«
    »Er ist wie eine Handgranate, bei der man schon den Stift gezogen hat.«
    »Terrible Chester?«
    »Nein. Der Pilzmann. Eigentlich heißt er Bob Robertson. Mit so gesträubten Haaren auf dem Buckel hab ich ihn noch nie gesehen.«
    »Bob Robertson ist auf dem Rücken behaart?«

    »Nein. Terrible Chester. Selbst als er damals den riesigen Schäferhund verscheucht hat, waren seine Haare nicht so aufgestellt wie heute.«
    »Klär mich mal auf, du komischer Kauz. Wie ist es dazu gekommen, dass Bob Robertson und Terrible Chester am selben Ort waren?«
    »Seit ich bei ihm eingebrochen bin, hab ich den Eindruck, dass er mich verfolgt.«
    Noch während ich das Wort verfolgt aussprach, weckte eine Bewegung auf dem Friedhof meine Aufmerksamkeit.
    Direkt westlich der Kirche befindet sich ein Totenacker alten Stils: keine in den Rasen eingelassenen Granitplatten mit Bronzeschildern wie bei den meisten modernen Begräbnisstätten, sondern aufrecht stehende Grabsteine und Statuen. Ein schmiedeeiserner Zaun mit speerförmigen Spitzen umgibt das anderthalb Hektar große Gelände. Nur wenige Kalifornische Lebenseichen, über ein Jahrhundert alt, werfen ihren Schatten; die meisten der mit Grün geschmückten Gräberreihen sind der Sonne ausgesetzt.
    Im dunklen Glühen des Zwielichts schien das Gras einen Bronzestich zu haben, die Schatten waren schwarz wie Kohle, in den polierten Oberflächen der Granitsteine spiegelte sich der scharlachrote Himmel –

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