Ancient Blades 3: Der Thron der Barbaren
stand, könnte sie ihn
durchaus dazu bewegen, sie anzusehen. Sie könnte jedermann dazu bewegen, ihr zu
Willen zu sein.
Nein.
Sie zitterte am ganzen Leib, als wäre sie von
Eiseskälte umgeben, obwohl das Feuer so heià war, dass ihr der Flaum an den
Armen fast versengt wurde. Sie warf das Buch in die Flammen â Flammen, die
niemals so heià brennen konnten wie der Höllenpfuhl. Sie sah zu, wie das Buch
verbrannte.
Ich werde eine Hexe, dachte sie. Es gibt keine andere
Möglichkeit. Malden â es tut mir leid.
Kapitel 42
Die Diebe von Ness versammelten sich kurz
vor Mitternacht, als der Mond hinter der Stadtmauer verschwand und der
Gottsteinplatz einer Schüssel voller Tinte glich. Sie trafen sich im
Sternenlicht, und viele von ihnen blieben trotzdem in den dunkleren Schatten,
wo selbst Malden ihre Gesichter nicht sah.
Die er erkannte, näherten sich aus jedem Winkel der
Stadt. Sie trafen einzeln ein, sie standen für sich, nicht einer von ihnen
flüsterte mit einem Freund oder einem Komplizen. Alle richteten ihr Augenmerk
ausschlieÃlich auf Malden.
Er stand oben auf dem Gottstein, einem uralten und
entweihten Altar in den Tiefen des Stinkviertels. Ein fünfzehn Fuà hoher
Steinmonolith, der einfach zu groà gewesen war, um beseitigt werden zu können.
Damals, als die Religion des Blutgottes offiziell abgeschafft worden war. Für
die meisten Stadtbewohner war er nur noch ein Orientierungszeichen, aber für
einige stellte er noch immer eine heilige Stätte dar. Malden hatte den Platz
aus praktischen Erwägungen als Treffpunkt gewählt und weniger an seinen
ursprünglichen Verwendungszweck gedacht. Die Stadtwächter entfernten sich nur
selten so weit vom Schlosshügel.
Die Menschen, die an dem Platz wohnten, hielten ihre
Fenster nachts verschlossen, und man konnte sich darauf verlassen, dass sie
nichts verrieten â solange Malden kein Geheimnis erwähnte, das der
Stadtwache möglicherweise einige Münzen wert war. Also würde er keine Namen
nennen und auch keinen der versammelten Diebe unmittelbar ansprechen. Aber sie
würden ihm zuhören.
Er hatte noch keine Zeit gehabt, Cutbills Botschaft zu
entschlüsseln. Er hatte nicht die geringste
Ahnung, welche Befehle man ihm gegeben hatte oder was der Gildenmeister
von ihm erwartete. Aber ihm blieb keine Zeit mehr, und er musste sich rasch
etwas einfallen lassen.
Beinahe hundert Männer standen da und starrten zu ihm
hoch. Er musterte sorgfältig ihre Gesichter und begriff plötzlich, warum Cutbill
überhaupt jemals auf den Gedanken gekommen war, ihn für diesen Posten
auszusuchen.
Er kannte jeden auf dem Platz. Kannte die Namen,
kannte die besonderen Fähigkeiten. Er kannte den Unterschied zwischen denen in
dunklen Umhängen â Einbrecher und Trickbetrüger, gute Verdiener, die aber
kaum vertrauenswürdig waren â und denen in schlechteren Umhängen, in
schlichten Wämsern und geflickten Kapuzen: Taschendiebe, falsche Bettler,
Räuber, Hutdiebe, Hütchenspieler und StraÃenräuber. Alles kleine Fische, die
von den paar Pfennigen lebten, die sie täglich zusammenkratzten. Männer, für
die die Gilde die einzige Autorität in ihrem Leben darstellte, während Cutbill
so etwas wie ein Vater für sie war. Diesen Männern konnte er vertrauen â
solange sie seinen Aufstieg nicht behinderten.
Viele hatte er selbst für die Gilde rekrutiert. Einige
von ihnen nahmen ihm noch immer übel, wie das vonstattengegangen war â der
Eintritt in die Gilde erfolgte oft durch sanfte Erpressung oder Nötigung. Ein
paar konnte er beinahe als Freunde bezeichnen. Er wusste genau, wer wer war und
wer sich gegen ihn aussprechen würde, wenn die Zeit gekommen war.
Er wusste, was diese Männer wollten und was sie
fürchteten. Und wozu sie bereit waren, um das eine zu bekommen und das andere
zu vermeiden.
Vor seinem inneren Auge nahmen bereits die Pläne und
Strategien Gestalt an, die seine Feinde ausschalten und seine Freunde enger an
ihn binden würden.
Und obwohl er noch immer nicht wusste, welchen Rat Cutbill
ihm hinterlassen hatte, wusste er genau, wie er sich verhalten musste.
»Guten Abend, Freunde«, sagte er mit einem Grinsen.
»Danke, dass ihr vorbeigekommen seid.«
Erleichterung huschte über viele der Gesichter wie
eine Wolke über den Mond. Die Männer hatten Maldens Haltung studiert
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