Ancient BladesDie Metropole der Diebe
wie eine Närrin vor Lachen zu kreischen. Mitlerweile schien sie nur noch mürrisch zu sein.
»Ich wollte damals nicht gehen«, sagte er mit plötzlichem Ernst. »Der Burggraf war mein Lehnsherr. Als er mir den Befehl zum Aufbruch gab, blieb mir keine andere Wahl.«
Sie antwortete nicht. Stattdessen eilte sie in eine Bäckerei und kehrte einen Augenblick später mit einem runden Brolaib zurück. Als sie ihn aufbrach, stieg Dampf aus dem weichen braunen Inneren auf.
»Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?«, fragte sie. »Du hast es immer so eilig gehabt, dich um alles zu kümmern, und hast das Essen stets vergessen. Und erzähl mir jetzt nichts. Ich habe einiges von meinem Meister gelernt und kann es dir vom Gesicht ablesen.«
»Ich glaube, es ist noch keinen Tag her«, sagte er und dachte an die Mandeln, die er gegessen hatte, während er sie am Vortag bei ihrer Ankunft in Hazohs Anwesen beobachtet hatte. Er musste zugeben, dass ihm beim Duft des Brots das Wasser im Mund zusammenlief. »Aber nicht hier. Lass uns vernünftig essen.«
Sie fanden eine Schenke, die gerade ihre Pforten geöffnet hatte, und für eine Silbermünze bekamen sie ein Hinterzimmer. Der Wirt warf einen misstrauischen Blick auf die sich bewegenden Tätowierungen in Cyheras Gesicht, sparte sich aber jede Bemerkung und zögerte auch nicht, den bestellten Wein und das halbe Käserad zu bringen.
»Setz dich da hin!«, sagte Cyhera und zeigte auf die Bank am einzigen Tisch des Raums. Croy tat, wie ihm geheißen. »Willst du einen Becher?«, fragte sie und hob den Weinkrug.
»Du brauchst mich nicht zu bedienen«, erwiderte Croy und nahm ihn ihr aus den Händen. Dabei streiften seine Finger die ihren. Es war nur eine sanfte, flüchtige Berührung, aber sie reichte aus, dass sie zusammenzuckte und beinahe den Wein fallen ließ. Croy tat so, als hätte er die erschrockene Geste nicht gesehen. »Du bist nicht meine Sklavin. Oder meine Gemahlin. Noch nicht.«
»Ach, Croy, Träume sind doch etwas Schönes, nicht wahr?«
»Sag nicht Traum dazu. Sag Vision. Oder Prophezeiung.« Mit dem Gürtelmesser schnitt er Brot und Käse und reichte ihr eine Schnitte. Sie nahm sie ausgesprochen vorsichtig entgegen. Er studierte ihr Gesicht, während sie aß. Den aufgemalten Ranken, die sich auf ihren Wangen kräuselten, entsprossen unentwegt neue Blätter und Dornen. Um ihren Hals waren sie so dicht wie ein Dornengestrüpp voll tiefer und dunkler Schatten. Einmal sah er in dieser Dunkelheit ein Paar tierhafter Augen aufblitzen, aber sie waren verschwunden, bevor er ihren Blick erwidern konnte.
Er wusste nur zu gut, was diese Bilder bedeuteten. Cyheras Mutter, eine Frau von energischem Wesen und beträchlicher Macht, hatte die Tochter mit diesem Zauber belegt, damit sie von keinem Fluch verletzt werden konnte. Derartige Magie gelangte niemals tiefer als bis zur oberen Hautschicht. Aber die arkane Energie musste irgendwohin und manifestierte sich deshalb in diesen Zauberbildern. Die Flüche verweilten auf ihrer Haut, bis jemand versuchte, sie körperlich anzugreifen – dann wurden sie freigesetzt. Für den Angreifer fühlte sich das so an, als fasse er im Winter unvermutet eine eiskalte Türklinke an, nur eben mit weitaus tödlicherem Ergebnis.
Es kam allerdings selten vor, dass eine Frau mit Cyheras Charakter einem wirklich üblen Fluch zum Opfer fiel. Als Croy sie kennengelernt hatte – damals hatte er noch als Leibwächter in den Diensten des Burggrafen gestanden –, war nur eine einzelne Schlingpflanze in ihrem Ärmel verschwunden. Sie hätte ihr ganzes Leben verbringen können, ohne noch mehr Bilder auf diese Weise zu erringen, hätte sie nicht Geld gebraucht. Ohne einen Pfennig und ohne jede Fertigkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen – Prostitution war für sie nicht infrage gekommen –, hatte sie die Stellung angenommen, die sich ihr geboten hatte.
Hazoh hatte sie in seine Dienste genommen, da war sie noch sehr jung gewesen. Aus einer Haarlocke von ihr hatte er ein Amulett gefertigt, das den Schutz ihrer Verzauberung auf ihn übertrug. Und ein Zauberer wie Hazoh zog eine Menge Flüche an, mit denen ihn seine Feinde bedachten. Jede Dorfhexe, jeder Feld-Wald-und-Wiesen-Zauberer konnte einen mächtigen Fluch zusammenbrauen. Jetzt trug Cyhera die Hauplast jener Verwünschungen. Ihre Sammlung an Tätowierungen war mit jedem Tag in Hazohs Diensten umfangreicher geworden.
Auf Cyheras Haut wimmelte es vor Magie, viel zu viel, um sie sicher
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