ANDERSENS MÄRCHEN ((Sämtliche Werke)) (German Edition)
der Räuber schwang seinen schweren Eisenhammer gegen seine Stirn, so daß sie zerschmettert wurde und Blut und Hirn rings umher spritzten. Tot fiel er zur Erde nieder.
Die Räuber ergriffen Klein-Helga an ihrem weißen Arm; da, im gleichen Augenblick, ging die Sonne unter, und als der letzte Sonnenstrahl erlosch, verwandelte sie sich in eine häßliche Kröte. Das weißlich-grüne Maul klaffte über das halbe Gesicht, die Arme wurden dünn und schleimig, eine breite Hand mit Schwimmhäuten öffnete sich fächerförmig; - da ließen sie die Räuber entsetzt fahren. Sie stand als häßliches Untier mitten unter ihnen, und nach Froschart hüpfte sie empor, höher als sie selbst war, und verschwand im Dickicht. Da merkten die Räuber, daß sie es mit Lokes böser List oder geheimen Zauberkünsten zu tun hatten, und voller Entsetzen eilten sie davon.
Der Vollmond war schon aufgegangen und spendete Glanz und Licht, da kroch aus dem Gebüsch, in des Frosches häßlicher Haut, Klein-Helga hervor. Sie blieb bei dem Leichnam des christlichen Priesters und ihrem getöteten Renner stehen und sah sie mit Augen an, die zu weinen schienen. Der Froschkopf gab einen Laut von sich, der wie das Quäken eines Kindes, das in Weinen ausbricht, klang. Bald warf sie sich über den einen, bald über das andere, schöpfte Wasser mit ihren Händen, die durch die Schwimmhäute größer und hohler wurden, und goß es über sie aus. Aber tot waren sie und tot sollten sie bleiben. Das begriff sie. Bald konnten wilde Tiere kommen und ihre Leiber fressen; nein, das durfte nicht geschehen! Deshalb grub sie die Erde auf, so tief sie es vermochte. Ein Grab wollte sie für sie bereiten, doch sie hatte zum Graben nur einen harten Zweig und ihre beiden Hände. Aber an ihnen spannten sich zwischen den Fingern die Schwimmhäute. Sie rissen und das Blut floß. Sie sah, daß ihr die Arbeit nicht gelingen werde. Da nahm sie Wasser und wusch damit des Toten Antlitz, bedeckte es mit frischen, grünen Blättern, trug große Zweige zusammen und legte sie über ihn, dann schüttete sie Laub dazwischen, nahm die schwersten Steine, die sie aufheben konnte, legte sie über die toten Körper und verstopfte die Öffnungen mit Moos. Nun glaubte sie, daß der Grabhügel stark und sicher genug sei; aber während der schweren Arbeit war die Nacht vergangen, die Sonne brach hervor - und Klein-Helga stand da in all ihrer Schönheit, mit blutenden Händen und zum ersten Male mit Tränen auf den errötenden jungfräulichen Wangen.
Da war es ihr während der Verwandlung, als bekämpften sich in ihr zwei Naturen. Sie zitterte, schaute sich um, als erwache sie aus einem beängstigenden Traum, schoß dann auf eine schlanke Buche zu, hielt sich fest daran gepreßt, um doch eine Stütze zu haben, und dann kletterte sie schnell, in einem Nu, wie eine Katze in die Spitze des Baumes hinauf und klammerte sich dort fest. Da saß sie nun wie ein verängstigtes Eichhörnchen, saß den ganzen Tag in der tiefen Waldeinsamkeit, wo alles stille und tot war. Tot? Nein, da flogen ja ein paar Schmetterlinge umeinander im Spiel oder Streit. Dicht dabei waren auch ein paar Ameisenhaufen, jeder beherbergte mehrere Hundert emsiger Geschöpfchen, die hin und her wimmelten. In der Luft tanzten unzählige Mücken, Schwarm an Schwarm. Scharen von summenden Fliegen, Libellen und andere geflügelte Tierchen jagten vorbei, der Regenwurm kroch aus dem feuchten Boden hervor, Maulwürfe stießen herauf - sonst war es still und tot ringsum, tot, wie man sagt und es versteht. Niemand außer den Hähern beachtete Klein-Helga, sie flogen schreiend um die Spitze des Baumes, auf dem sie saß. In dreister Neugierde hüpften sie auf den Zweigen näher zu ihr heran. Ein Blick ihrer Augen Jagte sie wieder fort - aber klüger wurden sie deshalb doch nicht aus ihr, und sie auch nicht klüger aus sich selbst.
Als der Abend sich näherte und die Sonne zu sinken begann, rief die Verwandlung sie zu neuer Bewegung. Sie ließ sich am Stamme hinabgleiten, und während der letzte Sonnenstrahl erlosch, stand sie wieder da in eines Frosches zusammengeschrumpfter Gestalt mit den zerrissenen Schwimmhäuten an den Händen, doch die Augen erstratalten nun in einem Schönheitsglanze, wie er kaum früher der schönen Gestalt eigen war. Es waren die sanftesten frommen Mädchenaugen, die hinter der Froschlarve hervorleuchteten, sie zeugten von einer tiefen Seele, einem menschlichen Herzen. Und die schönen Augen weinten
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