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Andromeda

Andromeda

Titel: Andromeda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Sjöberg
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zwischen hier und dort. Ich sah, ich hörte, ich fühlte und wußte dennoch nicht, was ich sah, hörte und fühlte. Ich war ich und nicht ich. Als ich gestorben – wie lange lag das schon zurück? –, dort auf der Terrasse vor meiner Wohnung, da war es fast ebenso gewesen mit mir.
    So verging der Tag, und es wurde Nacht und wiederum Tag. Ich glaube heute, daß ich in jener schier endlosen Zeit, die ich liegend auf dem Kraftfeld der AMÖBE verbrachte, unbewußt lernte, richtig mit ihr zu sprechen, und daß auch sie sich während dieser Stunden auf mich einstellte. Für sie war ich ein Tantalide, wie wohl jedes denkende Wesen für sie ein Tantalide gewesen wäre. Meine Denkstrukturen, die natürlich abwichen von denjenigen jener, die sie einstmals erschaffen und erzogen hatten, mußten sie sicherlich irritiert haben, doch sie war flexibel genug, um sich ihrerseits umzustrukturieren. Die tiefe Genugtuung, die sie bewegte, als ich zu ihr gekommen, ließ ihr vermutlich alles Befremdliche, das sie an mir fand, als nebensächlich erscheinen. Und dabei wußte ich noch längst nicht, mit welch ungeheuerlicher Wandlungsfähigkeit die AMÖBE wirklich begabt war, was sie tatsächlich vermochte und welche noch ungeweckten Kräfte in ihr schlummerten. Hätte ich es auch nur geahnt, ich wäre wohl bis ans Herz hinan erschrocken und hätte vielleicht alles aufgegeben. Doch ich ahnte es nicht – zum Glück oder Unglück, auch dies vermag ich nicht zu entscheiden.
    An jenem zweiten Tag nun begann ich zunächst ganz behutsam in mich hineinzulauschen und versuchte, ihre Stimme, die Stunde um Stunde als verhaltenes Rauschen in mir forttönte, als Bild und Wort zu erfassen. Der erste Jubel unserer Begegnung hatte sich gelegt, und ich fühlte, daß sie nur noch zufrieden war, mich bei ihr, in ihrer Obhut zu wissen. Es war schwer, mich erneut an sie heranzutasten und sie aus diesem Zustand wortloser Erfülltheit herauszulocken. So ging auch der zweite Tag hin, ohne daß wir wirkliche Gesprächspartner geworden wären. Nur ihre Stimmung fühlte ich immer deutlicher, und es war zugleich auch meine eigene Stimmung: Das Ruhegefühl blieb und wurde nach und nach ergänzt durch ein umfassendes Glücksempfinden. Es würde alles gut gehen, und alles würde gelingen – ihr oder mir oder uns? –, das spürte ich.
    Einmal nur wunderte ich mich sehr fern, daß ich keinerlei Hunger verspürte, keinen Durst und auch keine Müdigkeit mehr.
    So erreichte uns die zweite Nacht, und wir begannen beide einzuschlafen – ich kann es nicht anders formulieren. Ihr Raunen erfüllte mich von Kopf bis Fuß, und es war nun wirklich wie ein Wiegenlied, das mich in den Schlummer hinuntersang.
    Am dritten Tag endlich war die Differenzierung wohl ausreichend genug. Ich war wieder ich, und sie war wieder sie, ohne daß die Einheit, die wir dennoch bildeten, aufgelöst war. Ich hatte jedenfalls mit einemmal das Gefühl, daß sie, die AMÖBE, jetzt zu mir gehörte, wie etwa mein Arm oder mein Fuß auch zu mir gehörten. Denen würde ich ja ebenfalls keine selbständigen oder gar gegen mich gerichteten Regungen gestatten, aber dennoch waren sie in der Lage, mir einfach den Dienst zu verweigern, falls ich sie überforderte – und dies ganz ohne jeden Gedanken, nur aus der überbeanspruchten Physis heraus. Kurz: Die AMÖBE war mein erweitertes Ich geworden. Inwieweit ich vielleicht für sie das gleiche bedeuten mochte, wagte ich nicht auszudenken. Es hätte womöglich mein Selbstgefühl auf nicht wieder gutzumachende Weise verwundet.
    Ich konzentrierte mich voll und rief sie nun meinerseits an. Nicht mit Worten, auch nicht mit worttragenden Gedanken – ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Vielleicht ist WUNSCH der richtige Ausdruck. Wünsche, in Bilder gekleidet. Und dies nun war der richtige Weg zur Verständigung, eine Art und Weise der Kommunikation, die ich noch längst nicht perfekt beherrschte, die mir aber bald schon – und nicht bloß im Umgang mit der AMÖBE – in Fleisch und Blut übergehen sollte.
    Geschlossenen Auges stellte ich sie mir vor, wie sie da unter mir lag, den halben Krater ausfüllend und auch alle Galerien nun wieder, bis oben hin zum Einbruchsrand, grünlich lumineszierend, sachte bewegt, mir freundlich und geneigt und willens zuzuhören. Wie schön wäre es, dachte ich also, wenn du mir mehr von dir berichten könntest. Und ich kleidete es in das Bild eines Paares, das einander bei den Händen hielt, die Köpfe zueinander neigte und

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