Andromeda
ich nicht.
Unter solchen Gedanken legte ich den Rest meines Weges zurück. Mir war nicht gut, und ich war müde. Die Sonne am Himmel schien mir älter und runzliger zu sein als jemals zuvor. Die Wüste gähnte mich ringsum großmäulig an, ihr aschiger Sand zehrte an meinen Kräften, und die Berge standen schweigend und wie Grabmale gegen den Horizont gelehnt.
Oben nachher machte ich mich auf die Suche nach jenem hakenförmigen Felsblock, um erneut mein Seil daran zu sichern, doch als ich ihn endlich in Sicht bekam, war es schon zu spät für alles und jedes. Ich war nämlich an den Rand des Kraters herangetreten, erhaschte noch einen erschrockenen und zutiefst verwunderten Blick auf sein Inneres, sah, daß die AMÖBE das ganze, ungeheuer tiefe Loch vor mir reichlich zur Hälfte ausgefüllt hatte, wogte, bebte und zitterte wie Gelantine, und dann traf mich ein telepathischer Schlag von solcher Gewalt, daß ich glaubte, mein Gehirn wolle in allen Richtungen davonstieben, sich einfach auflösen in lodernden Flammen und mahlenden Feuerrädern. Es war unendlich stärker und vernichtender als meine erste Plauderei mit der AMÖBE, wie sie damals dabei war, die entleerten oberen Galerien aufs neue in Besitz zu nehmen.
Kehrst du endlich wieder? plapperte es mit fast kindlicher Aufgeregtheit in mir. Hast du wirklich alles vergessen? Ich habe dich doch nie im Stich gelassen, und du darfst mich auch nicht im Stich lassen!
Dabei jedoch – wie gesagt – so stark und so voller hämmernder Wucht, als spräche ein Riesenjunges zu mir, das sich seiner wirklichen Kräfte gar nicht bewußt war. Es ging weit über das hinaus, was ich zu ertragen vermochte.
Ich weiß nur noch, daß ich aufschrie und dann haltlos in die Tiefe stürzte. Es war immerhin noch einige hundert Meter bis hinunter zur Oberfläche der glosenden, mir entgegenbebenden AMÖBE, doch an den Sturz selbst und wie er schließlich aufgehalten wurde, vermag ich mich nicht mehr zu erinnern.
Ich kam zu mir, schwebend gleichsam zwischen Himmel und Erde, und eine tiefe Ruhe, die nicht aus mir selbst stammte, hielt mich umhüllt.
Was ist? dachte ich fern. Wo bin ich?
Die Antwort stieg verhalten in mir auf. Es war, als sänge mir wer ein kindliches Schlaflied ins Ohr.
Ich war zu grob, nicht wahr? tönte es in mir. Verzeih mir – es war nur die Freude. Sei doch ohne Furcht. Ich bin bei dir und wache über dich. Nichts soll dir widerfahren. Nichts dich betrüben. Bleib nur hier und vertraue mir wieder. Oh, was habe ich getan, um dein Vertrauen zu verlieren?
AMÖBE, dachte ich, du liebe, du gute – ich bin nicht der, für den du mich hältst. Gib mich frei oder hilf mir doch.
Du sprichst so fremd, kam murmelnd die Antwort. Hast du auch dieses verlernt? Es macht mir Mühe, deine Gedanken zu erfassen. Sei doch klar und verständlich, und sei wie früher. AMÖBE – meinst du mich damit? Mich, den PLASMOID?
PLASMOID, dachte ich. So also haben die Tantaliden sie genannt. PLASMOID! Aber auch das kann doch nur ein übertragener Begriff sein. Das ist doch ein Menschenwort. Da bleibe ich doch lieber bei AMÖBE. Das habe ich wenigstens selbst erfunden. Ja, ich selber! Und ich starrte in den fahlblauen Himmel hinauf, der rings begrenzt war von den gezackten Kraterwänden und wie ein flacher Teller über mir ruhte. Ewig wolkenlos lag er da oben, starr und still. Er war kalt und erbarmungslos. Er sprach nicht mit mir und würde das auch nie tun.
Wie früher? dachte ich dann weiter. Hat sie gesagt, wie früher?
Doch immer noch dröhnte mir der Schädel von der fremden Kraft, die auf mich einströmte und immer und immer wieder nahe daran war, mein eigenes Denken auszulöschen, hinwegzunehmen und mich zu einem ohnmächtigen, lallenden Ding zu machen – ausgeliefert einem fremdem Willen, von nun an bis in alle Ewigkeit. Die AMÖBE war nahe daran, mich zu erziehen, und nicht ich sie.
Das war ein seltsames Hin und Her in mir. Der überwältigende Friede, der mich überströmte und an den ich mich nur hinzugeben brauchte, um gänzlich unterzutauchen im allumfassenden Vergessen, und andererseits die Reste meines Selbst, die nicht aufzugeben gewillt waren, die nicht aufzugeben vermochten und die ruhelos darum rangen, die Herrschaft in mir zu behalten.
Ich atmete schwer und flach und ahnte die Stunden verstreichen, eine nach der anderen.
Dann wurde es immer stiller in mir, lautlos und leer. Ich war gar nicht mehr da. Auch die AMÖBE war nicht mehr da. Ich schwebte als bloße Hülle
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