Ange Pitou, Band 1
Wer ist es, sprich?
Ein Mann, der gut unterrichtet sein muß.
Wer denn?
Herr Isidor von Charny.
In was mischt er sich, dieser Stutzer? warum giebt ermir Ratschläge über meine Denkungsart? Gebe ich ihm einen Rat über die Art, wie er sich kleidet? Mir scheint, es wäre doch ebensoviel auf der einen wie auf der andern Seite zu sagen.
Mein Vater, ich sage Ihnen das nicht, um Sie zu ärgern. Der Rat ist in guter Absicht gegeben worden.
Wohl! ich werde denselben durch einen andern erwidern, und du kannst ihn in meinem Auftrag ausrichten, er und seine Standesgenossen mögen auf sich acht geben; man schüttelt sie ganz sonderbar in der Nationalversammlung, die Herren Adeligen, und mehr als einmal ist von den Günstlingen und Günstlinginnen die Rede gewesen. Das mag sich sein Bruder, Herr Olivier von Charny merken, der dort ist und gar nicht schlecht mit der Österreicherin stehen soll.
Mein Vater, sagte Katharine, Sie haben mehr Erfahrung als wir, handeln Sie nach Ihrem Gefallen.
In der That, murmelte Pitou, den der günstige Erfolg seiner Vorlesung mit Vertrauen erfüllt hatte, worein mischt sich denn Herr Isidor?
Katharine hörte nicht, oder sie stellte sich, als hörte sie nicht, und das Gespräch hatte damit ein Ende.
Das Mittagessen fand wie gewöhnlich statt. Nie war Pitou ein Mahl länger vorgekommen. Es drängte ihn, sich in seinem neuen Glanze, mit Jungfer Katharine am Arm, zu zeigen. Dieser Sonntag war ein großer Tag für ihn, und er gelobte sich, das Datum des dreizehnten Juli wohl im Kopfe zu behalten.
Man ging endlich gegen drei Uhr ab. Katharine sah reizend aus. Sie war eine hübsche Blondine mit schwarzen Augen, schlank und biegsam wie die Weiden, welche die kleine Quelle beschatteten, aus der man das Wasser für den Pachthof schöpfte. Sie war überdies mit jener natürlichen Koketterie gekleidet, die alle Reize des Weibes hervorhebt, und ihre von ihr selbst verfertigte Haube stand ihr vortrefflich.
Der Tanz begann gewöhnlich um sechs Uhr. Vier Spielleute, die auf einer Estrade von Brettern saßen, machten gegeneine Bezahlung von drei Sous für den Kontretanz die Honneurs dieses Ballsaales in freier Luft. In Erwartung der sechsten Stunde ging man in der bekannten Seufzerallee spazieren, von der die Tante Angelique gesprochen hatte, oder man schaute den jungen Herren der Stadt oder der Umgegend zu, die unter der Direktion von Varolet, dem Oberballmeister von Seiner Hoheit Monseigneur dem Herzog von Orleans, Ball spielten. Herr Varolet wurde für ein Orakel gehalten, und seine Entscheidungen in allen Fällen des Ballspiels nahm man mit der ganzen Verehrung auf, die man seinem Alter und seinem Verdienste schuldig war.
Ohne genau zu wissen, warum, hätte Pitou in der Seufzerallee zu bleiben gewünscht; doch nicht um im Schatten dieser doppelten Buchenreihe zu bleiben, hatte Katharine die glänzende Toilette gemacht, die Pitou so sehr mit Bewunderung erfüllte.
Die Frauen sind wie die Blumen, die der Zufall im Schatten hat wachsen lassen; sie streben unablässig nach dem Licht, und auf die eine oder die andere Weise muß ihre frische, balsamisch duftende Krone sich in der Sonne öffnen, die sie welk macht und verzehrt.
Katharine zog so lange und kräftig am Arm von Pitou, daß man den Weg zum Ballspiel einschlug. Pitou ließ sich indessen nicht zu sehr am Arm ziehen. Er hatte ebenso große Eile, seinen himmelblauen Rock und seinen zierlichen Dreispitz zu zeigen, als Katharine ihre Haube à la Galetée und ihren taubenhalsfarbenen Leib zur Schau zu stellen.
Eines schmeichelte besonders unserem Helden und gab ihm einen augenblicklichen Vorzug vor Katharine. Da ihn niemand erkannte, denn Pitou war nie in so prächtigen Kleidern gesehen worden, so hielt man ihn für einen jungen Fremden, für einen Neffen, für einen Vetter der Familie Billot, für einen Bräutigam von Katharine sogar. Doch Pitou war zu viel daran gelegen, seine Identität darzuthun, als daß der Irrtum lange währen konnte. Er nickte soviel seinen Freunden zu, er nahm so oft seinen Hut vor seinen Bekannten ab, daß man endlich in demschön geputzten jungen Landmann den unwürdigen Schüler des Abbes Fortier erkannte, und daß sich eine Art von Geschrei erhob, das besagte: Das ist Pitou! habt ihr Ange Pitou gesehen?
Das Geschrei gelangte bis zu Mademoiselle Angelique; da aber dieses Geschrei ihr sagte, ihr Neffe sei ein hübscher Junge, der die Füße auswärts und die Arme rundend gehe, so schüttelte die alte Jungfer, die
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