Angeklagt - Dr. Bruckner
sich, »sie hat seit kurzem ein Verhältnis mit diesem«, man merkte Dr. Wagner den Unwillen an, mit dem er den Namen formulierte, »Herrn Schnell, jenem Journalisten, dem wir –«, er deutete auf die Zeitungen, die auf dem Schreibtisch lagen, »diese Unannehmlichkeiten verdanken. Er hat die Geschichte angerührt. Die anderen Zeitungen haben es aufgegriffen und versuchen, uns fertigzumachen.«
Professor Bergmann schaute an seinem Oberarzt vorbei in die Ferne und versuchte, das, was er gehört hatte, zu verarbeiten.
»Es ist nicht etwa –«, ein merkwürdiges Lächeln stand auf seinem Gesicht, als er fortfuhr: »Eifersucht, die Sie zu dieser Anschuldigung veranlaßt?«
»Ich und eifersüchtig?« wies Dr. Wagner empört zurück. »Ich weiß gar nicht, was das ist. Und warum sollte ich auf Fräulein Pellenz eifersüchtig sein?«
Bergmann nahm wieder im Sessel Platz. Er griff nach seiner Brille, wirbelte sie am Bügel hin und her und schaute kopfschüttelnd Oberarzt Wagner an. »Ich wünschte es Ihnen, daß Sie einmal eifersüchtig werden. Aber ganz abgesehen davon, sind doch alle Männer hier im Haus in unsere junge und charmante Kollegin verliebt. Das ist mir nicht entgangen; einschließlich die Kollegen Bruckner und«, er zeigte auf Oberarzt Wagner, »Ihnen!«
Theo Wagner errötete. Er stotterte wie ein kleiner Junge, dem man eine Untat vorgeworfen hat: »Ich mag sie gern – das heißt – ich mochte sie gern, aber unter diesen Umständen muß man natürlich sehr vorsichtig sein.«
»Ich werde Fräulein Pellenz zu mir bestellen.« Professor Bergmann griff nach dem Telefonhörer.
Oberarzt Wagner hob die Hand. »Das würde ich nicht tun. Wir müssen sie beobachten …«
»Aber wie wollen Sie denn durch eine einfache Beobachtung herausfinden, ob sie es war oder nicht? Oder wollen Sie sie etwa in sich verliebt machen und ihr dann bei entsprechender Gelegenheit ein Geständnis entlocken, wie es Agenten tun wenn sie auf einen Spion angesetzt sind? Ich glaube«, Bergmann betrachtete Wagner von Kopf bis Fuß, »daß Sie dazu bestimmt nicht der richtige Mann sind.«
»So etwas würde ich mir auch gar nicht zumuten, Herr Professor. Aber –«, Wagner drückte mit seiner typischen Handbewegung die herabgerutschte Brille auf ihren ursprünglichen Sitz zurück, »wir haben im Augenblick wieder einen solchen desolaten Fall in der Klinik. Sie wissen, daß Kollege Bruckner den Patienten mit dem Kolonkarzinom operiert hat, Herrn Wegener. Auch hier ist nur ein palliativer Eingriff vorgenommen worden. Es würde mich nicht wundern, wenn …«
Professor Bergmann schaute erschrocken seinen Oberarzt an. »Sie wollen doch nicht etwa andeuten, daß dieser Patient das vierte Opfer sein wird?«
»Wenn es ein nächstes Opfer gibt, dann kann es nur dieser Patient sein.«
»Dann benachrichtigen Sie sofort Dr. Bruckner, daß er sein besonderes Augenmerk auf diesen Fall richtet.«
»Das würde ich nicht tun. Behalten wir diese Sache als ein Geheimnis zwischen uns beiden, verehrter Herr Professor. Je mehr Menschen davon erfahren, desto geringer ist die Chance, daß wir die Angelegenheit aufklären können. Ich verspreche Ihnen, daß ich mich darum kümmern werde. Wir könnten vielleicht den Pfleger Buhmann ins Vertrauen ziehen …«
»Diesen dicken, schwarzhaarigen Plumpudding?« unterbrach ihn Professor Bergmann.
Oberarzt Wagner hob mahnend seinen Finger. »Sie dürfen sich nicht durch das Äußere bestechen lassen. Der Mann ist Gold wert. Ich habe selten einen Pfleger gesehen, der sich so für seine Kranken aufopfert. Schließlich war er einmal Mönch.«
»Ich weiß. Er ist dann aus dem Orden ausgetreten, weil er glaubte, daß das Leben der Mönche nicht dem entspreche, was er sich darunter vorstellte. Ich habe mich seinerzeit, als wir ihn einstellten, bei dem Prior erkundigt. Unser guter Buhmann schoß immer über das Ziel hinaus, wollte immer mehr leisten, als von ihm gefordert wurde. Er konnte schon damals niemand leiden sehen, wie mir der Prior versicherte. Wissen Sie –«, Professor Bergmann kam ins Plaudern, »daß er alle kranken Tiere auf dem Klostergelände sammelte und sozusagen Kliniken für sie einrichtete, um ihre Leiden zu lindern? Das ging natürlich nicht. Stellen Sie sich vor, er würde an unserer Klinik das gleiche anfangen! Oder hat er es etwa schon getan?«
Oberarzt Wagner schüttelte den Kopf. »Nein, aber er hat dafür seine ganze Kraft in den Dienst der Nächstenliebe gestellt. Ich weiß, daß
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