Angeklagt - Dr. Bruckner
kränken.«
»Ich weiß. Die Sache muß durchgestanden werden. Vielleicht sollte ich wirklich kündigen. Ich muß die Klinik entlasten. Solange ich hierbleibe und solange sich die Gazetten den Mund über mich zerreißen, besteht die Gefahr, daß die Bergmann-Klinik immer mehr an Reputation verliert. Dann kann sie schließlich die Pforten ganz schließen.«
»Aber das können Sie uns doch nicht antun!« Schwester Angelika stellte sich an den Schreibtisch. Sie schlug aufgeregt mit der Hand auf die Zeitungen, die auf dem Tisch lagen. »Daß man denen nicht das Handwerk legen kann!«
»Man sollte nicht denen das Handwerk legen, sondern dem, der das geschrieben hat!« Dr. Heidmann regte sich immer mehr auf. »Wenn ich den Kerl kriege, dann drehe ich ihm den Hals um.«
»Damit wir noch mehr ins Gerede kommen!« Dr. Bruckner griff nach einer Streichholzschachtel, die auf dem Tisch lag, riß ein Hölzchen an und entzündete den Tabak. »Sie können sich die Überschriften dann vorstellen! Assistent der Bergmann-Klinik versucht, Zeugen unschädlich zu machen – er schlägt ihn krankenhausreif. Tun Sie das unserem Chef nicht auch noch an.« Er seufzte, stand auf und trat an das Fenster. »Ich glaube, ich werde für einige Zeit Urlaub nehmen. Das wird das beste sein.«
»Sie wissen doch selbst, wie rasch man an Fingerfertigkeit verliert, wenn man nicht laufend operiert. Das können Sie sich doch nicht antun«, protestierte Johann Heidmann.
»Wenn Sie sich mit Herrn Schnell auseinandersetzen wollen, dann brauchen Sie sich nur an die Röcke von unserer Kollegin Barbara Pellenz zu hängen.« Dr. Phisto hatte das Zimmer betreten. »Ich sah eben, wie er sie in seinem schicken Wagen zur Klinik brachte.«
Er setzte sich an den Schreibtisch und wedelte mit der Hand eine Rauchwolke weg, die von Dr. Bruckners Pfeife zu ihm hinzog. »Ich habe mir meine eigenen Gedanken gemacht. Frau Pellenz arbeitet doch über Euthanasie, nicht wahr?«
Dr. Bruckner nickte. »Das stimmt. Was wollen Sie damit sagen?«
»Die Todesfälle, die man Ihnen zur Last legt, sind ja ausgerechnet von dem Zeitpunkt an aufgetreten, seit sie bei uns als Assistentin tätig ist.«
Dr. Bruckner machte eine abwehrende Handbewegung. »Sie glauben doch nicht etwa, daß –«, er suchte nach dem entsprechenden Ausdruck, »sie den Schwerkranken geholfen hat, ihre Leiden rascher zu überstehen?« Thomas Bruckner griff nach einem neuen Streichholz und zündete es an. Die Pfeife war ihm ausgegangen. Er saugte die Flamme in den Pfeifenkopf hinein. »Wir haben doch schon ein paarmal darüber gesprochen, daß das was sie andeuten, mit unserem Begriff von Euthanasie nichts zu tun hat.«
»Vielleicht im erweiterten Sinne!« Der Anästhesist ließ sich nicht beirren. Er setzte sich auf die Tischplatte, zog einen Stuhl herbei und stellte die Füße darauf. »Erstens schreibt Frau Pellenz über Euthanasie; zweitens sind die exiti ausgerechnet in der Zeit aufgetreten, in der sie bei uns tätig ist. Vorher hatten wir solche –«, er überlegte, »Unglücksfälle nicht zu verzeichnen.«
»Aber ich bitte Sie – das ist ein zufälliges Zusammentreffen von Ereignissen! Das sind die Geschichten, aus denen manche Mediziner Statistiken konstruieren, die nie stimmen, weil sie nicht auf Untersuchungen, sondern auf Zufälligkeiten beruhen. Weil es immer weniger Störche auf der Welt gibt, gleichzeitig aber auch weniger Kinder geboren werden, kann man nicht daraus folgern, daß Störche tatsächlich Kinder bringen!«
Das Grinsen wich nicht von Dr. Phistos Gesicht. Es verstärkte sich noch, als er die Hand hob. »Lassen Sie mich doch ausreden. Das stärkste Argument ist ja doch«, er glitt vom Schreibtisch, zog ein Schubfach auf, nahm eine Krankengeschichte heraus und öffnete sie; »diese Eintragung hier.« Er deutete auf eine Seite in der Krankengeschichte. »Sie ist von Frau Pellenz vorgenommen worden.«
»Daß die Sektion verboten ist!« Dr. Bruckner paffte gedankenverloren an seiner Pfeife. »Das sagt doch auch nichts.«
»Aber es sagt vielleicht etwas, wenn diese Eintragung von derselben Hand bei allen drei Krankengeschichten vorgenommen worden ist. Ich würde mich nicht wundern, wenn sie es war, die die Angehörigen überredet hat, diese Eintragung vornehmen zu lassen.«
»Und warum sollte sie ein Interesse daran haben, daß die Sektion verweigert wird?« Heidmann sah fragend den Anästhesisten an, der zwei weitere Krankengeschichten aus der Schublade geholt und sie auf den
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