Angeklagt - Dr. Bruckner
die Leute ihn hier nicht mögen. Aber die meisten wissen nicht, mit welchem Eifer und welcher Inbrunst er den Dienst an den Kranken ausführt.«
»Gut, Herr Wagner, ich überlasse Ihnen die weitere Angelegenheit. Vielleicht sollten wir einen Privatdetektiv engagieren …«
»Das würde den Skandal eher noch vergrößern. So etwas spricht sich herum. Nein, das ist eine Sache, die nur die Klinik etwas angeht. Deshalb sollten wir versuchen, allein mit ihr fertig zu werden. Wir können nur hoffen, daß sich der Staatsanwalt nicht in die Angelegenheit einmischt. Denn dann würden die Gazetten uns erst recht in den Dreck treten. Stellen Sie sich vor, es gäbe eine Gerichtsverhandlung …«
»Ich brauche eine Gerichtsverhandlung nicht zu fürchten. Und ich glaube, das gilt für alle, die an unserer Klinik arbeiten.«
»Aber eine solche Verhandlung gäbe der Journaille wieder die Möglichkeit, uns anzugreifen. Ich glaube, wir haben schon so genug Skandal. Ich würde ja –«, er stand mit geneigtem Kopf neben dem Professor, der kopfschüttelnd in den Zeitungen blätterte, »Dr. Bruckner zunächst beurlauben. Ich meine –«, er fuhr zusammen, als Professor Bergmann unwillig aufblickte, »es würde dem Image unserer Klinik guttun, wenn wir uns von ihm trennten – nur eine Weile. So lange, bis die Angelegenheit endgültig geklärt ist.«
»Ich fürchte, die endgültige Klärung wird lange auf sich warten lassen, wenn sie überhaupt gelingt.« Der Professor stand auf, ging zur Tür, legte die Hand auf die Klinke und schaute Dr. Wagner an. »Ich werde mir die Angelegenheit durch den Kopf gehen lassen. Gerade hier möchte ich nicht vorschnell ein Urteil fällen, das ich später vielleicht bereue. Wir würden Dr. Bruckner keinen Gefallen tun, wenn wir ihm jetzt nicht die Stange hielten.«
»Vergessen Sie aber nicht, daß er als neugebackener Privatdozent letzten Endes auch die gesamte Klinik verkörpert. Ich glaube, es steht schon in der Bibel, daß man sich von einem kranken Körperteil trennen sollte, bevor das Leiden den ganzen Organismus angreift!«
Professor Bergmann schaute ihn kopfschüttelnd an. »Ich habe fast das Gefühl, daß –«, seine Stimme nahm einen ironischen Unterton an, »Bruder Siegfried Buhmann Sie auch schon infiziert hat. Wie gesagt, ich werde es mir überlegen. Bitte, halten Sie mich auf dem laufenden, und unterrichten Sie mich sofort, wenn Sie irgend etwas Neues in dieser Angelegenheit erfahren sollten. Und vor allem –«, er hob mahnend seinen Finger, »sorgen Sie dafür, daß dem Patienten Wegener nichts zustößt.«
7
»Wollen Sie Visite machen, Herr Oberarzt?« fragte Schwester Angelika Dr. Bruckner, der das Dienstzimmer betreten hatte.
»Eigentlich schon, aber –«, Dr. Bruckners Augen ruhten fragend auf Dr. Heidmann, der hinter dem Schreibtisch gesessen hatte und nun aufstand, »ich habe das Gefühl, daß ich vorläufig von Oberarztvisiten Abstand nehmen sollte.«
»Aber warum?« Dr. Heidmann trat an Dr. Bruckner heran und legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter. »Sie meinen, daß sich im Augenblick eine Anti-Stimmung gegen Sie entwickelt?« Er schüttelte den Kopf. »Dann würde ich erst recht Visite machen! Sie haben es doch nicht nötig, sich um die Meinung der anderen zu kümmern.«
Dr. Bruckner ging zum Schreibtisch. Er setzte sich in den Sessel und stützte seinen Kopf in die Hand. »Ich habe es heute im Kasino auch bemerkt. Niemand hat etwas gesagt, aber die ganze Stimmung war so gespannt, daß ich am liebsten wieder umgekehrt und hinausgegangen wäre. Es ist wirklich unwahrscheinlich, wie rasch eine Stimmung umschlagen kann.«
»Dabei haben Sie doch allen Ihren Kollegen immer nur Gutes getan. Niemand kann sich über Sie beklagen«, ereiferte sich Schwester Angelika.
»Das ist doch eine bekannte Geschichte.« Dr. Heidmann setzte sich auf die Tischkante und ließ die Beine herunterbaumeln. »Heute heißt es ›Hosianna!‹ und morgen ›Kreuzige in!‹«
Thomas Bruckner griff nun zur Pfeife, stopfte sie, zündete den Tabak an und blies eine Rauchwolke von sich. »Bis zur Kreuzigung ist es noch nicht gekommen. Ich überlege nur, ob ich mich ihr durch die Flucht entziehen soll.«
»Was bedeutet das?« Erschrocken glitt Johann Heidmann von der Tischkante herunter. »Sie haben schon einmal so etwas angedeutet, daß Sie uns verlassen wollen. Das ist doch nicht Ihr Ernst?«
»Wenn ich es tue, dann würde ich es nur im Interesse der Klinik tun.«
»Um Ihrem
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