Angeklagt - Dr. Bruckner
Tisch geworfen hatte.
»Ich habe die beiden anderen Krankengeschichten auch noch genau studiert. Warum sie unbedingt die Sektion nicht durchgeführt haben will?« Wieder trat dieses Grinsen auf Dr. Phistos Gesicht. »Ganz einfach; damit wir nicht feststellen können, woran die Patienten gestorben sind!«
Dr. Bruckner griff nach den Krankengeschichten. Er blätterte eine nach der anderen durch und nickte schließlich. »Das stimmt! Alle drei Eintragungen sind von derselben Hand vorgenommen worden. Aber ich kann es immer noch nicht glauben. Wir sollten sie fragen …«
Dr. Phisto hob abwehrend die Hand. »Nur das nicht! Von ihr erfahren wir bestimmt nichts. Wir müssen sehr vorsichtig vorgehen. Lassen Sie mich die ganze Geschichte in die Hand nehmen. Ich werde sie beobachten. Damit erreichen wir mehr, als wenn wir sie mit einer Frage konfrontieren, die sie niemals wahrheitsgemäß beantworten wird. Ich habe …« Er wurde unterbrochen, als sich die Tür öffnete und ausgerechnet – Barbara Pellenz eintrat.
Sie blieb erschrocken auf der Schwelle stehen, als sie die Blicke der drei Ärzte auf sich gerichtet sah. »Ist etwas?«
»Wieso sollte etwas sein?« Dr. Phisto glitt von der Tischplatte herunter und trat einen Schritt auf sie zu.
»Weil Sie mich so seltsam anschauen.« Barbara Pellenz fühlte sich plötzlich unsicher. Sie ging langsam in die Mitte des Zimmers, blieb hier stehen und schaute sich um. »Es tut mir leid, daß ich zu spät gekommen bin. Ich bin aufgehalten worden …«
»Durch einen Herrn namens Schnell, nicht wahr?« Dr. Phisto trat einen weiteren Schritt auf sie zu. Dicht vor ihr blieb er stehen, steckte beide Hände in die Hosentaschen und schaute sie von oben bis unten an.
Barbara kniff die Lippen zusammen. Sie schluckte. »Ich kann doch wohl in meiner Freizeit machen, was ich will. Oder gibt es eine Vorschrift, die es mir verbietet, meine Freizeit außerhalb der Klinik zu verbringen?«
Der Anästhesist drehte sich um. Er ging mit langsamen Schritten auf die Wand zu, lehnte sich gegen die Fensterbank und schaute sich im Kreise um. »Es ist nur seltsam, daß Sie ausgerechnet ein Rendezvous mit einem Mann haben, der –«, Dr. Phisto griff nach den Zeitungen und warf eine nach der anderen auf den Tisch zurück, »eine Hetzkampagne gegen unseren Kollegen Bruckner führt. Ich nehme doch an, Sie wissen über diese Artikel Bescheid?«
Barbara Pellenz griff verwirrt nach den Zeitungen und überflog die Zeilen. Immer wieder sah sie Dr. Bruckner an, der zu ihr hinüberblickte. Sie zuckte mit den Schultern. »Nein, davon wußte ich tatsächlich nichts.«
Thomas Bruckner trat auf sie zu, nahm ihr die Zeitungen aus der Hand und legte sie auf den Tisch zurück. »Vergessen Sie es. Gehen Sie jetzt an Ihre Arbeit. Natürlich können Sie mit Ihrer Freizeit anfangen, was Sie wollen. Wir aber –«, er winkte Schwester Angelika, die an der Tür stehengeblieben war, »wollen jetzt Visite machen. Was macht mein operierter Patient von gestern?«
»Es geht ihm gut. Er hatte eine gute Nacht. Der Pfleger Buhmann hat bei ihm Nachtwache gehalten.« Schwester Angelika holte ihr Notizbuch vom Schreibtisch. »Ich wollte ihm heute eigentlich frei geben, aber er lehnte es ab. Er meinte, der Patient habe sich so an ihn gewöhnt, daß es besser sei, er würde sich auch weiter um ihn kümmern. Er pflegt wirklich mit Hingabe. Ich habe noch nie jemand gesehen, der sich so aufopfernd für seine Patienten eingesetzt hätte. Man mag über ihn denken, was man will, aber in diesem Punkt lege ich die Hand für ihn ins Feuer!«
»Herr Professor!« Oberarzt Theo Wagner stand im Zimmer des Chefs. Sein Gesicht war gerötet. Er faßte sich mit dem Zeigefinger in den Kragen und zog ihn vom Hals ab, als könne er sich auf diese Weise mehr Luft verschaffen. »So geht es nicht weiter!«
Professor Bergmann saß hinter seinem Schreibtisch. Er hatte den Kopf in beide Hände gestützt. Sorgenvoll schaute er vor sich hin. »Was sollen wir tun? Ich kann doch keine Gegenerklärung in den Zeitungen veröffentlichen. Niemand würde sie uns glauben.«
»Das hier ist doch aber nun der Gipfel der Frechheit!« Dr. Wagner schlug mit der flachen Hand auf eine Zeitung, die auf dem Tisch lag. Ein Artikel war rot umrandet. »Von einer Euthanasie-Klinik zu sprechen, ist doch nun wirklich das letzte.«
»Wenn die Leute das Wort wenigstens im richtigen Sinn verwenden würden.« Der Professor setzte seine Brille auf, zog den Artikel zu sich heran
Weitere Kostenlose Bücher