Angeklagt - Dr. Bruckner
daß er sah, mit wem sie sich verabredet hatte. »Entschuldigen Sie mich. Ich habe es eilig.«
»Sie wissen doch, daß …« Er trat ganz dicht an sie heran, und es sah aus, als ob er ihren Arm ergreifen wollte. Sie wich einen Schritt zurück, schaute ihn abschätzend von oben bis unten an, so daß er die Hand, die er bereits erhoben hatte, sinken ließ.
»Was weiß ich?«
Siegfried Buhmann zuckte mit den Schultern. »Nun, man redet so allerhand über Sie!«
»Über mich?« Kopfschüttelnd schaute Barbara den unangenehmen Pfleger an, der breitbeinig vor ihr stand, die Hände in die Taschen gesteckt hatte und sie herausfordernd ansah.
»Ja – über Sie!«
Die Gedanken rasten durch Barbaras Kopf. Sie wollte den Pfleger fragen, was man über sie redete, aber sie fürchtete, daß sie ihm dann nur Grund geben würde, sich weiter mit ihr zu beschäftigen. Sie wollte sich nicht mit ihm auf eine Stufe stellen.
»Warum sollte man nicht über mich reden?« gab sie ihm schließlich zur Antwort. »Das ist mir völlig egal. Und nun lassen Sie mich in Ruhe«, ihre Stimme wurde scharf, »ich sagte Ihnen bereits, daß ich eine Verabredung habe, die ich nicht versäumen möchte. Guten Abend!«
»Ich wollte doch nur …« Siegfried Buhmann ging ein paar Schritte und wollte ihr folgen, als sie zum Ausgang ging. Als er merkte, daß sie sich anscheinend wirklich nicht für das Gerücht zu interessieren schien, das um sie kreiste, ballte er seine Hand zur Faust und folgte ihr langsam. Er blieb in der Tür der Chirurgischen Klinik stehen und beobachtete sie von dort aus, wie sie am Pförtner vorbeiging, ihn grüßte und dann auf den Sportwagen zuschritt, der vor der Tür auf sie wartete.
Als er sah, wer der junge Mann war, der aus dem Wagen sprang, Barbara beide Hände entgegenstreckte, sie an sich zog und sie zum Wagen geleitete, breitete sich ein böses Grinsen über sein Gesicht.
Er wandte sich um und ging in die Klinik zurück. Er hatte genug gesehen!
Rasch eilte er auf Station zurück, klopfte an das Zimmer, in dem der Operierte lag, und trat ein. Frau Baum schaute ihm vorwurfsvoll entgegen. »Ich habe schon gefürchtet, Sie würden nicht kommen«, empfing sie ihn.
»Ich bin noch ein wenig aufgehalten worden«, erklärte er. »Man ist als Krankenpfleger immer im Dienst. Man hat schließlich Vorgesetzte, nach denen man sich richten muß.«
»Passen Sie nur gut auf, daß meinem Vater nichts passiert.« Frau Baum trat noch einmal an das Bett, beugte sich über den Patienten, drückte ihm einen Kuß auf die Stirn und sagte »Herr Buhmann wird jetzt bei dir bleiben, Vater.«
Sie ging zur Tür, griff in die Tasche, holte einen Geldschein heraus und drückte ihn dem Pfleger in die Hand. »Für Ihre Mühe!«
»Aber ich bitte Sie – das ist doch nicht nötig. Ich verrichte meine Arbeit doch um Gotteslohn«, sagte er und wollte das Trinkgeld zurückweisen.
Aber Frau Baum hielt seine Hand fest und drückte die Finger über den Geldschein, der in der hohlen Hand lag. »Behalten Sie es nur! So gut werden Sie als Pfleger doch auch nicht bezahlt, daß Sie nicht einen kleinen Zuschuß gebrauchen könnten. Bis später einmal!«
Sie verließ das Krankenzimmer. Buhmann schloß die Tür hinter ihr. Er warf einen Blick auf den Geldschein, der in seiner Hand lag, und grinste zufrieden.
Schwester Angelika schaute kurz in das Zimmer hinein, Sie nickte ihm zu. »Gute Nacht – wenn irgend etwas passieren sollte, rufen Sie mich. Sie wissen ja, wo mein Zimmer ist.«
»Sehr wohl, verehrte Schwester!«
Schwester Angelika schaute mißtrauisch zu ihm hin. Sie wußte nicht, ob seine Worte ironisch oder ernst gemeint waren. Aber da sie ja seine scheinheilige Redeart kannte, sah sie davon ab, sich weiter mit ihm auseinanderzusetzen.
»Hast du Ärger gehabt?« Besorgt sah Peter Barbara an, die sich neben ihn gesetzt hatte. »Du machst so ein verschlossenes Gesicht!«
Barbara überlegte, ob sie ihm von der Unterredung mit dem Pfleger erzählen sollte, aber er sah so glücklich aus, daß sie ihn nicht mit diesen Problemen behelligen wollte, die ihn im Grunde genommen nichts angingen. Sie beschloß, das Gespräch auf ein anderes Gebiet zu lenken. »Man ist in der Klinik sehr unglücklich über –«, sie beobachtete ihn von der Seite, als sie weitersprach, »die Gerüchte, die dort umgehen. Ich glaube, du bist nicht ganz schuldlos daran?«
Peter Schnells Gesicht verhärtete sich. »Natürlich bin ich nicht schuldlos an den Gerüchten. Aber
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