Angel City Love (German Edition)
Kevin für den Abend frei, indem sie behauptete, Gwen und sie hätten beschlossen, gemeinsam an ein paar Projekten für die Schule zu arbeiten.
»Aber du arbeitest doch gar nicht gern mit anderen zusammen«, sagte er misstrauisch, während er einen Burger mit Pommes auf einem Teller anrichtete. »Weil am Ende immer alles an dir hängen bleibt. Und erst recht, wenn Gwen mit von der Partie ist.«
»Ich weiß«, entgegnete Maddy und dachte fieberhaft nach. »Ich will ihr nur ein bisschen helfen. Wenn sie in diesem Halbjahr nicht alles schafft, kriegt sie nicht die nötigen Punkte zusammen, um ihren Abschluss zu schaffen. Sie macht sich echt Sorgen.« Kevin stieß einen tiefen Seufzer aus, der in Maddy heftige Schuldgefühle auslöste, und griff nach dem alten Telefon.
»Ich ruf Suzie an und frag sie, ob sie einspringen kann.«
Maddy bedankte sich und gab sich dabei Mühe, ihre Erleichterung zu verbergen. Dann eilte sie über den Hof zum Haus hinüber. Draußen wurden die Schatten bereits länger und vom einsetzenden Sonnenuntergang war alles in ein goldenes Licht getaucht. In ihr stieg plötzlich eine lähmende Angst auf.
Im Haus angekommen, zog Maddy die Haustür hinter sich zu und sperrte ab. Im ersten Stockwerk ging sie den schmalen Flur entlang, der ihr Zimmer von Kevins trennte, und stand schließlich vor einer kleinen rechteckigen Luke in der Decke. Sie zerrte ein paarmal kräftig daran, ehe die Klappe endlich mit einem Knarzen aufschwang und Maddy die hölzerne Schiebeleiter herunterziehen konnte, die daran befestigt war. Nachdem sie tief Luft geholt hatte, stieg sie auf den Dachboden hinauf.
Dort war es heiß und es roch nach altem Holz und Rattenkot. Nichts regte sich. Nur Staubpartikel tanzten in der Luft und wirbelten in dem goldenen Lichtstrahl, der durchs Fenster fiel. Wie bei den meisten alten Häusern war der Dachboden riesengroß und pyramidenförmig. Maddy konnte sich mühelos aufrichten. Sie blickte sich um. An der Wand standen stapelweise Pappkartons mit Aufklebern, die mit schwarzem Edding beschriftet waren. In den vergangenen Jahren waren neuere Kisten dazugekommen, doch die standen überwiegend ungeordnet und ohne Beschriftung herum. Einige waren sogar offen und ihr Inhalt quoll daraus hervor. Kevin wurde mit zunehmendem Alter offensichtlich immer nachlässiger, dachte sie lächelnd.
Bislang war Maddy erst ein einziges Mal auf dem Dachboden gewesen. Als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war und sich vor jedem noch so kleinen Rumpeln und dem leisesten Geräusch gefürchtet hatte, hatte Kevin sie eines Tages hochgebracht, damit sie sich mit eigenen Augen überzeugen konnte, dass keine Monster über ihrem Bett hausten. Als Maddy sich umgesehen hatte, hatte sie zwar keine Monster entdeckt, doch war ihr etwas anderes aufgefallen. Und deswegen war sie heute hier.
Sie hob ein paar Kisten aus dem Weg, um sich zu den älteren durchzukämpfen. Die neueren Kartons waren noch gut erhalten, während die betagteren sich zum Teil in ihren Händen auflösten. Sie musste sie über den Boden schieben, was ein schreckliches Schleifgeräusch produzierte. Sie zuckte zusammen, als eine Horde Spinnen rasch Reißaus nahm und in Deckung ging. Endlich hatte sie gefunden, wonach sie suchte. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung, als sie die Kiste ganz hinten entdeckte, die nur mit einem einzigen Wort beschriftet war.
Regina . Der Name ihrer Mutter.
Kevin sprach nie sonderlich viel über ihre Eltern und hatte Maddy auch keine Habseligkeiten von ihnen übergeben. Ihre Eltern würden nicht mehr wiederkommen, so hatte er Maddy erklärt, und daher ergab es auch keinen Sinn, ihre Sachen zu behalten. Umso verblüffter war sie natürlich gewesen, als sie an dem Tag, da Kevin mit ihr auf Geisterjagd gegangen war, die Kiste entdeckt hatte. Und sie hatte sie seither nie wieder ganz vergessen.
Nachdem Maddy die Kiste in die Mitte des Raums geschoben hatte, öffnete sie den Deckel. Das alte Packband ging mühelos ab. Sie warf einen Blick ins Innere. Schmuck. Eine Uhr. Ein paar alte Bücher. Ein Kamm. Sie zog einen Gegenstand nach dem anderen heraus und legte alles vorsichtig auf den Boden. Der Vorgang berührte sie weit mehr, als sie gedacht hatte. Dies waren die Besitztümer ihrer Mutter. Sie hatte sie gekauft. Hatte sie berührt. Sie waren ein Teil von ihr gewesen – und nun waren sie das Einzige, was noch von ihrer Mutter übrig war.
Nach einem kurzen Moment hatte Maddy gefunden, wonach sie gesucht hatte.
Es handelte
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