Angel Eyes. Im Bann der Dunkelheit (German Edition)
Wahl!»
Ich beiße die Zähne zusammen und erwidere Seinen Blick.
Nach, wie mir scheint, einer Ewigkeit seufzt Er und schüttelt den Kopf. «Ich kriege, was ich will, so oder so. Warum machst du es dir unnötig schwer?» Er zeigt auf das Mage und umrundet mich noch einmal.
Das lüsterne Grinsen des Mage wird breiter, als es die Hand nach mir ausstreckt, und ich stöhne vor Anstrengung, es nicht einzulassen. Doch es ist zwecklos. Ich spüre es in meinem Kopf, es durchstöbert meine Gedanken und Erinnerungen. Ich weiß genau, wonach es sucht. Mit aller Macht versuche ich, an etwas anderes zu denken als an Frannie und frühere Erinnerungen hervorzuholen – aus der Zeit, als ich mit dem Höllenhund Barghest das Höllentor bewachte. Darauf konzentriere ich mich ganz. Aber die Erinnerung an Barghest führt mich zurück zu dem Tag, als er Frannie vor Beherit gerettet hat. Ich bemühe mich noch stärker, die Erinnerung an Frannie auszublenden, doch je mehr ich es versuche, desto klarer tritt sie hervor.
Mehr braucht das Mage nicht. Ich bemerke die Zufriedenheit in seinem Gesicht, als es sich mit Frannie verbindet. Ich stöhne, denn ich weiß, was das bedeutet. Es hat Frannie aus meinem Kopf gesaugt und ist nun in ihren Geist eingedrungen. Ein Mage ist die dämonische Verkörperung eines Albtraums. Es wird sie in ihren Träumen verfolgen und ihr durch diese Träume Dinge zeigen. Ihre Träume sind auch sein Fenster in ihre Welt. Es kann sehen, was sie tut – weiß, was sie tut. Aber das Schlimmste ist: Solange das Mage in Frannies Geist haust, kann Lucifer ihm dorthin folgen.
Nein!
Ich kämpfe noch verzweifelter, um es zu vertreiben, doch es ist immer noch in meinem Kopf. Es hebt eine Klaue und fährt langsam damit durch die Luft. Ich beiße mir auf die Zunge, denn es zerfetzt mein T-Shirt und verpasst mir vier tiefe, brennende Kratzer. Ich weiß, dass das nicht wirklich geschieht – es spielt sich alles in meinem Kopf ab –, und das sage ich mir auch immer wieder, dennoch sind die Schmerzen wirklich nicht mehr auszuhalten. Sein böses Grinsen wird immer breiter.
Lucifer fixiert mich mit Seinem forschenden Blick. «Du bist ein einzigartiger Fall. Ich bin wirklich neugierig. Das verstehst du sicher.»
So ist das also. Er macht mich zur Laborratte. Er wird mich Stück für Stück sezieren, geistig und körperlich, und nach Antworten suchen, und gleichzeitig der Hölle vorführen, was Verräter zu erwarten haben. Zwei Fliegen mit einer Klappe.
Plötzlich stürzt Er sich wieder auf mich, und ich wappne mich gegen den Schmerz. Aber alles, was ich spüre, ist Sein sengender Atem in meinem Ohr. «Ich weiß, was sie ist, und ich kriege sie, Lucifer. Sie war von Anfang an Mein, und sie wird wieder Mein sein. Du kannst mich nicht daran hindern.»
Was meint er damit, sie war von Anfang an Sein? Kaltes Entsetzen beschleicht mich, und mein Herz aus Schwefel zerbröselt in tausend Sandkörner.
Finstere Ideen blitzen in Seinen Augen auf. «Verwandele dich, Lucifer!»
Seinem direkten Befehl konnte ich mich noch nie widersetzen, doch nun wehre ich mich. Irgendwo tief in mir gibt es einen Teil, der sich nicht verwandeln will, der sich weigert, meine dämonische Gestalt anzunehmen. Ich erforsche diesen Teil, und meine Beine zittern, als ich seine Wurzel finde. Denn ich sehe Frannie: den Teil von ihr, den ich im Herzen trage. Den Teil von ihr, der zugleich ich ist, und den Teil von mir, der sie nicht loslassen will.
Ich möchte der sein, der ich war, als ich mit ihr zusammen war. Was geschieht, wenn ich die Hülle ablege, die ich trug, als ich mit ihr zusammen war, die Hülle, mit der ich sie berührt habe? Was ist, wenn die Erinnerungen an sie in dieser Hülle eingeschlossen sind? Wenn ich sie abstreife, verliere ich diese Erinnerungen womöglich für immer. Dann sind sie fort, und der Gedanke, dass ich sie niemals zurückbekommen kann, erfüllt mich mit blankem Entsetzen. Diese Erinnerungen sind das Einzige, was meine Existenz erträglich macht.
«Nein.»
Aus der Menge steigt ein kollektives Keuchen auf, und Er reißt ungläubig die Augen auf. Im nächsten Augenblick durchfahren mich tausend Blitze. Als sie schließlich aufhören, schreie ich auf und sinke gegen den Pfahl. Durch die versammelte Menge geht ein leises Zischen.
König Lucifers Dämonengestalt sprengt Seine menschliche Hülle, und Er steht in Seiner ganzen höllischen Pracht vor mir und durchbohrt mich mit den brennenden grünen Augen. Mein Herz aus Schwefel
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