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Angel Eyes. Zwischen Himmel und Hölle (German Edition)

Angel Eyes. Zwischen Himmel und Hölle (German Edition)

Titel: Angel Eyes. Zwischen Himmel und Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Desrochers
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schwarzen Ungetüm von Schloss Pandämonium hinüber, dessen hohe, mit Zinnen bewehrten Mauern das Höllengelände überragen. «Beherit hat alle Hände voll zu tun, um seine eigene Haut zu retten. Ich nehme an, nur deshalb läufst du noch frei herum.»
    Mein Magen verkrampft sich, doch ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Jetzt Schwäche zu zeigen, wäre ein Fehler. «Ach? Was ist denn passiert?»
    Marchosias zuckt mit den Schultern. «Wenn du schlau bist, hältst du dich von Pandämonium fern. König Lucifer hat den Rat einberufen. Angeblich soll es zu einem Blutbad kommen.» Bei der Vorstellung sprühen seine Augen Funken. «Dein Chef soll abgesägt werden. Wie es heißt, hat er irgendeine große Sache versiebt.» Eifrig beugt Marchosias sich zu mir vor. «Aber vielleicht weißt du ja mehr als ich.»
    «Leider nicht», lüge ich so geschmeidig wie alle Dämonen. Innerlich winde ich mich vor Entsetzen. Und mit einem Mal packt mich Verzweiflung. Das ist mein Leben. All das hier ist meine Welt. In ihr gibt es nur einen einzigen Grund zur Freude, sofern man davon bei Dämonen überhaupt sprechen kann, und das ist das Leid, die Qual, die Zerstörung und der Tod anderer Wesen. «Was hast du denn sonst noch aufgeschnappt?»
    «Dass König Lucifer sich eine bestimmte Sterbliche wünscht. Und dass Beherits Leute die Sache nicht hinkriegen.»
    «Und was ist so Besonderes an ihr?»
    «Es heißt, sie besitze eine außergewöhnliche Gabe.»
    Mir wird schlecht. Krampfhaft versuche ich, mir einzureden, dass eine Menge Sterbliche außergewöhnliche Gaben besitzen. «Welche?»
    «Die Macht der Herrschaft», raunt Marchosias.
    Es kann nicht um Frannie gehen. Frannie ist eine Seherin. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was mit einem Sterblichen geschehen würde, der die «Macht der Herrschaft» besitzt. Er wäre in der Lage, die Gedanken und Gefühle anderer steuern zu können, von gut zu böse und umgekehrt. Bislang hat es nur sehr wenige dieser Art gegeben, und davon haben nur ein paar für die Hölle gearbeitet – und sagen wir so: Es ist ihnen nicht sonderlich gut bekommen. Noch immer leicht benommen, setze ich mich in Bewegung. Marchosias hält meinen Arm fest. Seine scharfen Krallen bohren sich in mein Fleisch.
    «Wir sehen uns später», verabschiedet er sich.
    Ich streife seine Klaue ab. «Freu dich nicht zu früh.»
    Im Weitergehen versuche ich, meine Gedanken zu sortieren. Doch mein Kopf wird erst klarer, als ich an meinem Zufluchtsort bin, jenem Teil der Hölle, den man auf meinem Wandgemälde sieht. Am felsigen Ufer des Sees entlang wandere ich zu seinem südlichen Zipfel. Dort an der Mündung des Styx trifft der See des Feuers auf die Mauern der Hölle. Die Schreie der Verdammten und das Gelächter ihrer Wächter sind nur noch ein leises Echo. Das hier ist meine Kirche.
    Auf einem pockennarbigen Vorsprung aus Lavagestein lasse ich mich nieder. Die schwachen Töne der Höllenmusik blende ich aus. Auf der anderen Seite des Sees erhebt sich schwarz glänzend Pandämonium, und zu meinen Füßen umspült die schwerflüssige rote Masse aufragende Schwefelfelsen. Wie anklagende Finger zeigen sie zum Himmel hoch. Dann und wann lodern bläuliche Flammen auf und werfen zuckende Schatten auf die Felsen. An anderen Stellen lässt ein Blubbern aus der Tiefe Schwefelgase aufsteigen. Mit geschlossenen Augen atme ich sie ein. Manchmal vergisst man einfach, wie schön die Heimat ist, denn das ist die Hölle schließlich für mich.
    Erst nach einer Weile kommt mir Frannies Seele wieder in den Sinn. Ich erinnere mich, wie atemberaubend der Anblick für mich war. Solchen Seelen begegnet man in der Hölle nicht. Ich frage mich, wie Frannies Seele aussehen wird, wenn Belias mit ihr fertig ist.
    Ich verdränge den Gedanken und lege mich auf dem Felsvorsprung zurück. Aber wie so viele andere Dinge scheinen auch meine Verdrängungsmechanismen nicht mehr richtig zu funktionieren, denn immer wieder taucht Frannies Bild vor meinen Augen auf. Ich kann sie sogar riechen und schmecken, als wäre sie bei mir, und ich begreife, dass ich nur ihretwegen all das, was ich bin, in Frage stelle. Wüsste ich es nicht besser, könnte ich schwören, dass sich etwas Feuchtes in meinem Augenwinkel sammelt. Ohne jeden Zweifel weiß ich jedoch, dass mein Herz aus Schwefel langsam bricht. Und so liege ich da und warte darauf, dass man mich ruft. Denn die Hölle gibt niemandem eine zweite Chance.
    Frannie
    Gabe fährt mich nach Hause. Er scheint tief in

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