ANGEL - Wolfsmensch (German Edition)
ganzen, langen Zeit noch.
Ira seufzte, als er sich setzte. Es fühlte sich gut an, dass man ihn vermisst hatte.
Er war noch nicht einmal bei den Oliven angekommen, da klopfte es an der Tür. Einen Augenblick später stand Tony in seinem Zimmer. Immer noch in seiner schicken Abendgarderobe. Schwarzes Satinhemd, schwarze Anzughose, italienische Lederschuhe. „Kann ich noch etwas für dich tun, Bruder?“ fragte Tony und setzte sich ihm gegenüber. Bruder nannte er ihn stets, obwohl sie nicht verwandt waren. Vater wäre wohl eine treffendere Anrede gewesen. Immerhin hatte Ira jeden von ihnen aus seinem Blut erschaffen. Sie nannten sich jedoch Brüder, was ein Ausdruck der intensiven Verbundenheit war, den jeder von ihnen für den anderen empfand. Sie waren wie Brüder.
Zögernd schwebte Tonys Hand über der Käseplatte, dann griff er sich ein kleines Stück Brie. Ira schenkte ihm in die von Oscar wohlweislich bereitgestellte zweite Tasse Tee ein und griff dann nach seiner eigenen.
„Danke, aber ich komme zurecht“, sagte er langsam und Tony lächelte leicht.
„Wirklich?“ Er lachte leise, „Ich möchte nur nicht, dass du dich überfordert fühlst. Immerhin ist die Welt hier noch sehr neu für dich.“ Er lehnte sich mit der Teetasse und dem Stück Käse zurück.
„Konntest du mittlerweile in Erfahrung bringen, warum mein Vater sich eingemischt hat?“, fragte Ira seinen besten Freund, aber Tony schüttelte den Kopf.
„Nein, leider kaum etwas. In den oberen Schichten erzählt man sich nur, dass der Fürst in letzter Zeit sehr häufig auf der Erde ist, aber niemand kennt anscheinend den Grund dafür.“ Er schwieg einen Moment und die Luft begann, sich mit Spannung zu füllen. Was er jetzt sagen würde, war ernst, erkannte Ira.
„Möchtest du hören, was ich glaube?“, fragte er leise. Als Ira nickte, fuhr er fort. „Ich glaube, dass es etwas mit dem zu tun hat, was du mir damals über dein angeborenes Schicksal erzählt hast. Erinnerst du dich?“
Ira schnaubte und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Wie könnte ich das jemals vergessen?“
Tony lächelte schwach. „Du sagtest, dass dein Vater dich nur zu dem einen Zweck so erschaffen hat, wie du bist, damit du eines Tages einem der zwei Ersten begegnest. Eine von ihnen soll dir gehören.“
Ira runzelte die Stirn, als er über die Worte seines Bruders nachdachte.
„Du meinst, dass Angel eine davon ist?“
Tony nickte stumm.
„Es gibt mittlerweile einfach zu wenige echte Unsterbliche auf dieser Welt. So viele Menschen mit ihren jämmerlich kurzen Leben und dieser verachtenswerten Lebensenergie. Und die paar Dämonen, die man allenfalls als 'schwer zu töten' einstufen kann. Jene, die dir gehören soll, wird eine Unsterbliche sein und Angel ist es.“
Da hatte Tony etwas Wahres gesagt. So war es ihm prophezeit worden. Aber konnte es wirklich sein, dass Angel diejenige war? Seit er Tony kannte, konnte Ira seinem Urteil immer vertrauen. Tony besaß die Gabe, in allem das Wahre zu sehen und stets einen kühlen Kopf zu behalten.
Als sie sich damals um das Jahr 100 nach Christus kennenlernten, hatte Ira schnell beschlossen, ihn zu einem der Seinen zu machen. Und seit dem war Tony ihm immer ein treuer Berater und Freund gewesen.
„Ich werde versuchen es herauszufinden“, sagte Ira nachdenklich und er wusste auch schon, wie er das anstellen würde.
Tony nickte und trank den letzten Schluck Tee. „Wie du willst“, sagte er und stand auf. „Ich werde mich dann jetzt auch mal unter die Dusche stellen. Robin hat heute eine herrliche Schweinerei mit mir veranstaltet.“ Wie zum Beweis zog er seinen Hemdkragen ein Stück herunter und entblößte blutverschmierte, löchrige Haut.
„Gut, dass ich so schnell heile!“ lachte er und ging zur Tür. „Schade, dass sie gleich wieder zurück nach London musste. Was auch immer sie da gerade treibt. Wenn du noch was brauchst, du weißt, wo du mich findest.“ Und damit schloss er die Tür hinter sich.
Lächelnd saß Ira nun allein auf seiner Couch. Tony hatte wirklich Glück mit Robin. Eine hübsche Unsterbliche ganz für sich allein. Sie war seine Gefährtin. Sein persönliches Eigentum. Deshalb kam keiner seiner Brüder auch nur auf den Gedanken, sich von ihr zu nähern. Sie gehörte Tony und das konnte jeder seiner Art auf eine Meile gegen den Wind riechen.
Müde erhob sich Ira und schlich zu seinem Bett. Als er sich unter die Decke legte, wanderten seine Gedanken wieder zu diesen tiefen,
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