ANGEL - Wolfsmensch (German Edition)
maß er die Küche. „Wie passend! Du scheinst gerade mit dem Essen fertig zu sein, Claude! Dann setzt euch doch schon mal. Das riecht wirklich fantastisch.“ Bestimmend schob er Angel zum Tisch hin und drückte sie auf eine Bank nieder. Es kostete Claude einen Moment, nicht einfach loszubrüllen. Stattdessen löste er sich lieber von der Arbeitsplatte und begann das Essen aufzutragen.
Erst, als er sich setzen wollte, fiel ihm auf, dass für ihn nur der Platz blieb, der am weitesten von Angel entfernt war. Das hatte Mark bewusst eingefädelt. Kluger, alter Mann.
Während alle die gebratene Entenbrust verschlangen und Nick Claudes Kochkunst in den höchsten Tönen lobte, bekam er keinen Bissen herunter. Er konnte seine Augen nicht von ihr lassen. Wieder und wieder trafen sich ihre Blicke über den Tisch. In ihren schönen, dunkelgrünen Augen mischten sich Skepsis und Verwirrung. Nicht nur einmal war Claude versucht, seine Füße unter dem Tisch in ihre Richtung zu schieben. Er wollte sie berühren, aber er war sich sicher, dass Mark sogar auf ihre Füße achtgab.
*
Was in aller Welt machte dieser Mann in Marks Küche? Und warum zum Teufel hatte ausgerechnet er mich hergebracht? Warum überhaupt?
Tausend Fragen schwirrten mir durch den Kopf, während ich eine fantastische Ente genoss. Der Vogel schmeckte einfach wunderbar. Es war mit Abstand das Beste, das ich je gegessen hatte.
Doch auch das half nicht gegen den glühenden Blick von Corethess. Ohne Unterlass sah er mich an. Und ich konnte diesen Blick nicht loslassen. Er fesselte mich mit unsichtbaren Ketten.
Je länger ich in der Nähe dieses Mannes war, desto erschreckender wurde das Gefühl von Zusammengehörigkeit. Ich fühlte mich mit ihm verbunden, ihm nahe.
Es fühlte sich fast an, als säße ich meinem Bruder oder besten Freund gegenüber.
Dieser Gedanke erschreckte mich.
War es das? Waren die Gefühle, die ich ihm gegenüber empfand, so seltsam, weil er mein vergessener Bruder war? Oder ein anderer Angehöriger meiner vergessenen Familie?
Ich hielt den Atem an, als ich ihn noch einmal musterte. Das Haar könnte passen. Größe und vielleicht sogar die Statur. Doch war dort ein Merkmal, dass meine Annahme beinah völlig ausschloss.
Er war kein Werwolf.
Zwar war es möglich, dass das Gen eine Generation übersprang, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass es in diesem Fall so einfach war.
Innerlich fluchend rieb ich mir die Augen. Langsam ging mir dieses Auf und Ab der letzten Zeit auf die Nerven. Ich geriet von einer Katastrophe in die nächste. Erst stellte ich fest, dass ich unsterblich war. Floh von zu Hause. Traf durch Zufall die einzige unsterbliche Vampirin der Welt. Wurde Auftragskiller und direkt bei meinem ersten, großen Auftrag gefangen genommen. Ira … Meine Brust wurde enger, als ich wieder an ihn dachte. Sobald sich aufgeklärt hatte, in welcher Beziehung Claude zu mir stand, würde ich Tony anrufen und mich nach Ira erkundigen. Gleich nach dem Essen würde ich Claude zur Rede stellen, damit sich diese schreckliche, intime Verbundenheit endlich aufklärte.
Ich hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, da ergriff Mark das Wort. Mittlerweile waren fast alle Teller leer. Außer meiner und Claudes. Scheinbar hatte es nicht nur mir den Appetit verdorben.
„Da wir hier gerade alle so nett beieinandersitzen, habe ich noch ein Anliegen an euch.“
Jeder der Anwesenden richtete seine Aufmerksamkeit still auf Mark. Sogar Claude wandte ihm für einen Moment den Blick zu. Mark sah jeden von uns kurz an, ehe er fortfuhr.
„Gestern am frühen Abend erhielt ich einen Anruf. Diego, der Alpha von einem befreundeten Rudel aus Spanien hat mich angerufen und mich an etwas sehr Wichtiges erinnert.“ Marks Mundwinkel zuckten in einem Ausdruck wilder Vorfreude. „Vielleicht könnt ihr euch noch erinnern, immerhin war es schon vor ein paar Monaten mal Thema, aber nächsten Monat, passend zu Mabon , ist Blutmond.“
Ein Raunen erhob sich im Raum. Die Männer wären vor Begeisterung fast von ihren Sitzen gesprungen. Mein Herz machte einen Satz und mein ganzer Körper spannte sich an. All die Bilder von vergangenen Festen kamen mir wieder in den Sinn. Ekstatische, lustvolle Tänze. Blutvergießen. Feuer und Hitze. Jeder Zentimeter meiner Haut prickelte in stiller Vorfreude. Der Wolf in mir brüllte vor Vergnügen. Mabon , das Fest zu Beginn des Herbstes. Alle Rudel aus dem europäischen Raum trafen sich an einigen, wenigen Orten um
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