ANGEL - Wolfsmensch (German Edition)
hatte ich völlig vergessen. Viel zu sehr faszinierte mich dieser Fremde in unserer Küche. Ich fühlte mich auf eine sehr seltsame Art von ihm angezogen. Er erinnerte mich an jemanden und mir lag auf der Zunge, an wen. Was aber vielleicht noch wichtiger war: Warum schien die Welt auf einmal voll zu sein, von unglaublich gutaussehenden, schrecklich anziehenden Männern?
Ich schüttelte mich. Da war ich gerade erst einem Dämon begegnet, für den ich mehr empfand, als nur bloße Lust, war verbrannt und gefoltert worden, und kaum saß das Fleisch wieder auf meinen Knochen, suchte sich mein Körper ein neues begehrliches Objekt. Sosehr ich mich auch vor mir selbst ekeln wollte, ich musste näher an diesen Mann heran.
Leise trat ich ein. Er schien mich noch nicht bemerkt zu haben, da er unverwandt weiterarbeitete. Vielleicht kam ich nahe genug an ihn heran um seinen Geruch aufzunehmen. Eindeutig war er keiner von uns, was die Frage nach seinem Hiersein noch eindringlicher machte. Zwei Schritte kam ich weit, da sah ich, wie sich seine Schultern strafften. Er hielt den Atem an und seine Hände erstarrten mitten in der Bewegung.
Glitzernde Tropfen vom klebrigen Orangensaft rannen seine Finger hinab und weckten den Wunsch in mir sie alle einzeln von seiner Haut zu lecken.
Langsam drehte er sich um und sah mich an. Sein Blick bohrte sich direkt in Meinen. Ein erschrockenes Keuchen kam über meine Lippen. Es war, als entstünde eine Verbindung zwischen uns, als er mich jetzt ansah. Die Präsenz seines großen Körpers wurde plötzlich überwältigend. Der ganze Raum schien eingenommen von ihm. Als gäbe es nur noch ihn auf dieser Welt. Wie meinen Eigenen hörte ich seinen Herzschlag. Konnte ihn fast körperlich spüren.
„Wer bist du?“, keuchte ich und konnte den Blick nicht von seinen pechschwarzen Augen abwenden.
Kapitel XII
Gähnend stand Ira am Fenster im Salon seiner Villa. Die Erschöpfung ließ seine Knochen schmerzen. Dunkle Ringe zeigten sich bereits unter seinen Augen und dennoch fand er keine Ruhe. Nicht einmal hier im Kreise seiner Brüder unter seinem eigenen Dach.
Es tat so gut, wieder zu Hause zu sein.
Tony hatte einen wirklich guten Geschmack bewiesen, als er dieses Haus kaufte. An Berlin konnte er sich nicht erinnern. Er war sich nicht einmal sicher, ob es diese Stadt schon gegeben hatte, vor seiner Gefangenschaft. Jetzt war sie eine Metropole, stinkend und laut. Gottseidank, stand dieses herrschaftliche Anwesen am Rand der Stadt. So ließ sich der Lärm halbwegs ertragen.
Das ganze Haus war purer Luxus. Von der schönen, gewaltigen Eingangshalle mit dem Mosaikfußboden bis hin zu jedem einzelnen Schlafzimmer. Seine Brüder hatten ganze Arbeit geleistet.
Der große Salon war in Grün gehalten. Moosgrüne Tapeten. Hohe, schlanke Säulen aus grünem, rosa durchwirktem Marmor. Heller Parkettboden mit dicken dunkelgrünen Teppichen. Die Polster der Sofalandschaft vor dem großen Kamin zu seiner Rechten waren ebenfalls von einem angenehmen Grünton. Genauso wie die Vorhänge und die Malerei an der hohen Decke.
Alles hier war aufs Peinlichste genau aufeinander abgestimmt. Bis hin zum Bezug des Billardtisches, an dem sich gerade Tony und Connor ein nettes Duell lieferten. Es hatte ein bisschen gedauert, bis Ira sich an all die Neuheiten und ungebührlichen Begrifflichkeiten in diesem komfortablen, technischen Leben gewöhnt hatte, aber mittlerweile wunderte er sich nur noch über wenig. Viel schöner war es gewesen, zu erfahren, dass seine Brüder niemals aufgehört hatten nach ihm zu suchen. All die Jahre nicht.
Mit seliger Ruhe und Zufriedenheit beobachtete er die zwei Männer. Das Spiel selbst interessierte ihn nicht. Stolz war er auf seine Schöpfungen und glücklich wieder unter ihnen zu sein. So lange war es her, dass er die Vier zuletzt gesehen hatte. Sein einziges Erbe, welches er der Welt hinterlassen hatte. Connor war der jüngste Bruder im Bunde. Ira hatte ihn erst knapp ein Jahr vor seiner Entführung zu sich geholt. Damals war der Junge Mitte zwanzig gewesen. Ein junger, kräftiger Mann mit blondem Haar und blauen Augen. Er hatte die Schönheit und Unverschämtheit der Jugend und das Aussehen eines Gottes. Connor war der Frauenschwarm schlechthin, doch lauerte auch in ihm derselbe bodenlose Abgrund, wie in jedem von ihnen. Ira wählte seine Brut nicht nach dem Aussehen oder aufgrund ihres Lebenslaufes aus. Allein die Werte- und Moralvorstellungen der Anwärter interessierten ihn. Er
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