Angela Merkel
Merkel, über ihre ersten Jahre als Bundeskanzlerin. Es waren aufregende Jahre. Zunächst hieß es, Politik sei langweilig in den Zeiten einer Großen Koalition, es fehle die Rivalität von Regierung und starker Opposition. Aber es zeigte sich bald, dass dies nicht stimmt. Die Rivalität zwischen den Koalitionspartnern war so heftig, dass das Fehlen einer starken Opposition nicht auffiel. Und auch sonst ist eine Menge passiert:
Die SPD hat sich in dieser Zeit zerlegt und erneuert. Die Partei »Die Linke« wurde gegründet und trieb die anderen Parteien vor sich her.
Ein Klimaschock dominierte kurz die Weltpolitik.
Eine Energiepreiskrise brach aus und ebbte ab.
China zeigte bei den Olympischen Spielen in Peking seine Weltmachtansprüche.
In Georgien gab es einen Krieg, der zu einer vertraut brisanten Konfrontation führte: Russland gegen die USA.
Das internationale Finanzsystem brach zusammen, und die Weltordnung musste gleichsam neu erfunden werden. Politiker wurden von Geächteten zu Hoffnungsträgern.
Als Folge der Finanzkrise rutschte Deutschland in eine Rezession.
Das ist viel für dreieinhalb Jahre, den Erzählzeitraum dieses Buches. Dazu gab es noch eine Bundeskanzlerin zuentdecken, zum ersten Mal eine Frau, zum ersten Mal eine Ostdeutsche. Wie hat sie Deutschland durch diese schwierige, aufregende Zeit geführt? Wie hat das Amt Angela Merkel verändert? Was ist von ihr in Zukunft zu erwarten?
Dies ist auch ein Buch über die Politikmaschine, wie sie summt, wie sie schnurrt. Indem ich über Angela Merkel erzähle, will ich auch versuchen zu erklären, wie Politik in diesen Zeiten funktioniert, warum sie so ist, wie sie ist. Zuerst geht es um die Inszenierung rund um Angela Merkel, danach um die Reformpolitikerin, schließlich um die Krisenkanzlerin. Ein Fazit und ein Ausblick runden dieses Buch ab. Eine Biographie ist es ausdrücklich nicht.
Das Problem am Schreiben über Politik ist heutzutage, dass man ohne Selbstreflexion kaum noch auskommt. Eine Geschichte über Politik ohne die Medien ist nur die halbe Geschichte. In der Mediendemokratie, die wir jetzt haben, spielen Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, Radio und Online-Medien eine so große Rolle, dass sie nicht nur Beobachter sind, sondern in ihrer Summe auch Akteure, manchmal auch als einzelnes Medium oder als einzelner Journalist. Das wird in der täglichen Berichterstattung meist nicht berücksichtigt, kann auch nicht, weil eine ständige Selbstreflexion oder Eigenerzählung langweilig, eitel und fragwürdig wäre. Dieses Buch macht das anders, die Rolle der Medien wird immer wieder beleuchtet, weil man Politik sonst nicht erklären kann.
Wer über die Rolle der Medien nachdenkt, kann nicht nur zu guten Urteilen kommen. Es ist keine Frage, dass die Medien extrem wichtig sind. Ohne Öffentlichkeit gibt es keine Demokratie, und insgesamt gibt es in Deutschland eine lebendige und vielschichtige Öffentlichkeit. Aber manches läuft schief. Es wäre schäbig und falsch, mit dem Finger auf andere zu zeigen oder die Kritik im Diffusen zu lassen. Wenn im Folgenden eine zweifelhafte Rolle von Medien angesprochen wird, geht es auch um mich. Aber Fehlentwicklungen zu erkennen, heißt nicht, sofort alles anders machen zu können. Deshalb kann ich nur sagen: Ich arbeite daran.
Weil dies ein subjektives Buch ist, habe ich es an einigen Stellen in der Ich-Form geschrieben. Das Buch basiert auf meiner Arbeit als Reporter und Büroleiter beim Spiegel in Berlin. Die Berichterstattung über die Bundeskanzlerin gehört dort zu meinen Aufgaben. Ich habe hin und wieder Passagen aus meinen Artikeln übernommen, wenn sie in das Gesamtkonzept passten und ich das Gefühl hatte, es nicht besser sagen zu können. Das Allermeiste jedoch ist neu geschrieben.
Ich möchte hier keine besondere Nähe zur Bundeskanzlerin suggerieren. Als Büroleiter sehe ich sie hin und wieder bei Hintergrundgesprächen, selten zu einem Einzelgespräch. Es gibt keine Kumpelei, kein Duzen, keine Freundschaft. Es gibt nichts Persönliches in unserer Beziehung, sie ist die Bundeskanzlerin, ich bin der Büroleiter vom Spiegel , und das bringt uns hin und wieder zusammen. Distanz ist ein Konzept, das zu uns beidenpasst. Und Distanz ist unbedingt notwendig für einen unabhängigen Journalismus. Ich beobachte sie häufig auf Terminen, rede mit Leuten, die sie gut kennen, lese und mache mir meine Gedanken. Oft werde ich gefragt, ob ich Angela Merkel mag. Aber das ist keine Kategorie für
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