Angela Merkel
Bildern von einer russischen Panzerkolonne, die selbstherrlich und unbehelligt durch Georgien kurvt. Merkel sieht das, sie guckt n-tv, sie guckt CNN. Was sie jetzt wahrnimmt, ist imperiales Machtgehabe der Russen. Sie sind Eroberer, Gewaltherrscher, Besatzer. Da ist sie empfindlich. Saakaschwili magein höchst zweifelhafter Politiker sein, aber er ist der gewählte Präsident einer Demokratie. Sie ist immer noch skeptisch gegenüber Saakaschwili. Aber der große Zorn richtet sich gegen die Russen.
Das eigentliche Krisenmanagement macht Sarkozy, der für die EU einen Friedensvertrag zwischen Georgien und Russland aushandelt. Merkel soll seine Bemühungen bei Reisen zu Medwedew und Saakaschwili unterstützen. Damit hat sie an einem Wochenende zwei heikle Besuche vor sich. Es gibt ein schwieriges Verhältnis zu Russland, und es gibt ein schwieriges Verhältnis zu Georgien.
Georgien und die Ukraine hatten Anträge gestellt, der Nato beizutreten. Dazu gibt es einen sogenannten Membership Action Plan (MAP), eine Art Schuhlöffel in die Nato hinein. Die Amerikaner sind unbedingt dafür, dass Georgien und die Ukraine in die Nato aufgenommen werden, weil ihnen jeder Staat willkommen ist, der sich in die Phalanx gegen den alten Rivalen Russland einreiht. Die West- und Südeuropäer sind eher skeptisch.
Merkel war vor dem Krieg sehr skeptisch, sie war gegen den MAP für die beiden Kandidaten. Die Demokratien dort sind noch nicht gefestigt, es gibt territoriale Probleme, Kriegsrisiken, die jeweils mit Russland zusammenhängen. Im April 2008 gab es einen Nato-Gipfel in Bukarest, wo Bush den MAP für Georgien und die Ukraine erzwingen wollte. Merkel stemmte sich dagegen, Sarkozy überließ ihr die Verhandlungen. Wenn ihr steht, stehen wir auch, wurde deutschen Diplomaten zugeraunt. Es müssen heiße Verhandlungen gewesen sein.Die Polen waren auf Seiten der Amerikaner, es wurde geschimpft, geschrien. Merkel stand. Das heißt, auf einem Bein wackelte sie leicht. Den Georgiern und Ukrainern wurde zugesichert, dass sie in die Nato aufgenommen würden, eines Tages, irgendwann, aber der MAP wurde ihnen nicht gewährt.
Ich habe bei der Reise nach Straßburg am 15. April 2008 kurz sehen können, was das für diese Länder heißt, wie schlimm das für manche ist. Merkel besuchte dort das Parlament des Europarats, um eine Rede zu halten. Gleich an der Tür stürzte sich ein georgischer Fernsehjournalist auf sie. »Mrs. Chancellor, one question«, rief er. Warum sie Georgiens Beitritt zur Nato nicht unterstütze. Merkel überhörte das, sie zog weiter mit ihrer Entourage, schnellen Schrittes. Der Georgier rannte hinterher, er wurde immer wieder von Merkels Leibwächter abgedrängt, machte einen neuen Anlauf. »Mrs. Chancellor, one question.« Er gab nicht auf. Er rannte, er drängte, er schrie: Warum wollen Sie Georgien nicht in der Nato haben? Merkel zog ungerührt weiter. Schließlich wurde der Journalist an einer Tür abgedrängt, festgehalten. Er stand keuchend da, wie am Boden zerstört. Natürlich wollte er seine Bilder haben von der deutschen Bundeskanzlerin, ihr Statement. Aber hinter diesem verzweifelten Bemühen stand mehr, stand das Entsetzen, dass man sein Land allein ließ, allein mit den Russen. Das macht Merkels Entscheidung nicht falsch, aber es zeigt, was ihr in Tiflis bevorstehen konnte.
Auch was problematisch an der Reise zu Medwedewsein konnte, lässt sich anhand ihrer Reise nach Straßburg illustrieren. Merkel hielt vor dem Parlament des Europarats eine Rede, die sich vor allem um Menschenrechte drehte. Sie sprach dort deutlich mit Bezug auf Russland. »Unseren Werten Geltung zu verschaffen ist nichts Abstraktes, nichts für Sonntagsreden«, sagte sie. Es gebe »eine Pflicht zur gegenseitigen Einmischung, wenn es um die Menschenrechte geht.«
Merkel hatte in der Politik gegenüber Russland deutlich die Akzente verschoben. Schröder unterhielt und unterhält eine enge Freundschaft zum »lupenreinen Demokraten« Putin, der dann auch einen kleinen Beitrag zu Schröders Altersversorgung leistete, indem er ihm einen Job bei einer Tochter des staatlichen Gasriesen Gazprom besorgte. Mit öffentlicher Kritik an den Zuständen in Russland hielt sich Schröder als Kanzler öffentlich zurück, im Georgien-Krieg nahm er Partei für Russland.
Merkel spricht sehr gut Russisch, sie liebt die russischen Autoren Tolstoi und Dostojewski und hat auch keine unangenehmen Erinnerungen an die russischen Soldaten in ihrer Heimatstadt
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