Angela Merkel
anderen Unternehmen beteiligen solle.
Derweil trudelte die Wirtschaft in eine schlimme Krise. Inlandsnachfrage und Exporte sackten ab, die Zahl der Arbeitslosen stieg wieder an. Die Bundesrepublik erwartete die schlimmste Rezession ihrer Geschichte.
Als ich dieses Buch Ende Januar 2008 abgeschlossen habe, war nicht absehbar, wie schlimm die Krise werden würde und wie die Krisenpolitik der Bundesregierung gewirkt hat. Aber mit dem zweiten Konjunkturpaket ging die erste, die akute Phase des Krisenmanagements zu Ende. Es zeichnete sich da schon ein deutlicher Eindruck von Angela Merkel als Krisenkanzlerin ab. Darum soll esnun gehen, nicht um die Wirkungen ihres Handelns, sondern um das Handeln selbst. Welchen Eindruck hat Angela Merkel in der schwierigsten Zeit ihrer Kanzlerschaft gemacht?
Die Krise ist eine Zeit der Führung. Es herrscht eine allgemeine Ratlosigkeit, Hilflosigkeit. Es sind auch, wie eingangs dieses Kapitels beschrieben, die üblichen Hemmnisse für politische Durchsetzung außer Kraft gesetzt oder zumindest geschwächt. Im Prinzip sind alle dankbar, wenn jemand einen Weg weist, auch als Mittel gegen die eigenen Ängste. Herfried Münkler hat das so gesagt: In der Krise müsse der Bundeskanzler zumindest den Eindruck erwecken, er habe »die Herrschaft über das Geschehen«. Da wurde gerade der neunzigste Geburtstag von Helmut Schmidt gefeiert. Er war ein Bundeskanzler, um den sich der Mythos rankte, dass er die Dinge im Griff hatte, als es schwierig wurde. Seine Krisen waren der rasante Anstieg des Ölpreises und der Versuch der RAF, die Terroristen, die in Stammheim inhaftiert waren, freizupressen.
Zunächst sah so schlecht nicht aus, was Merkel machte. Die Große Koalition brachte es fertig, den Rettungsschirm für die Banken innerhalb einer Woche durch Bundestag und Bundesrat zu treiben. Aber das passierte unter den Bedingungen eines idealen Krisenszenarios. Das Land stand unter Schock, die Politik stand unter Schock. Es herrschte eine relative Ruhe, in der Führung gut möglich war.
Bald stellte sich allerdings heraus, dass der Rettungsschirm zumindest kurzfristig nicht wirkte. Nur wenige Banken nahmen ihn in Anspruch. Es war nicht besonders geschickt, die Obhut des Staats quasi mit Strafen zu bewehren, zum Beispiel einer Gehaltsobergrenze von 500.000 Euro für Vorstände von Banken, die sich unter den Rettungsschirm begeben hatten, es aber gleichzeitig den Bankern zu überlassen, ob sie sich in die Obhut des Staats begeben wollten oder nicht. Die meisten sagten zunächst: Nein, wollen wir nicht. Zwang hätte den Kreditkreislauf womöglich schneller in Bewegung gebracht.
Es wurde rasch klar, dass die Krise sich nicht auf den Bankensektor beschränken, sondern die gesamte Wirtschaft erfassen würde. Die Frage war nun, ob der Staat eingreifen sollte, um die Konjunktur zu stützen. Die meisten Experten waren sich einig, dass, bei aller Skepsis gegenüber Ausgabenprogrammen, nun deren Stunde geschlagen habe. In der wirklich großen Krise müsse der Staat entweder selbst massiv Geld ausgeben oder dafür sorgen, dass die Bürger mehr Geld ausgeben können, indem sie weniger Steuern und Abgaben zahlen. Am besten sei beides. Als sich die Politik aus der Schockstarre gelöst hatte, wurde dies die große Debatte der ersten Krisenphase.
Was tat Angela Merkel? Sie blieb Angela Merkel.
In einer politischen Debatte gibt es zwei Zeitpunkte, Führung zu zeigen. Der eine liegt am Anfang, wenn die Positionen definiert werden. Der Politiker, der führen will, kann klar sagen, welches die eigene Position ist unddamit die Debatte bestimmen. Der andere Zeitpunkt ist der Kristallisationspunkt der Debatte, also kurz nachdem sich gezeigt hat, welche Position gewinnen wird. Der Politiker, der führen will, kann sich die stärkere Position zu eigen machen und durchsetzen.
Merkel hat beide Zeitpunkte nicht genutzt. Am Anfang der Debatte zeigte sie sich skeptisch gegenüber jeder Form von Staatseingriffen, sowohl gegenüber Ausgabenprogrammen als auch gegenüber Steuererleichterungen. Aus ihrer Umgebung kam der Hinweis, dass sich hier die ehemalige Bürgerin der DDR zeige. Merkel habe erlebt, wie ein Staat eine Ökonomie zugrunde richten könne. Deshalb wolle sie auch keine beherzten Eingriffe bei den Banken.
Hatte sie sich grundsätzlich für einen Weg der Zurückhaltung entschieden, ein zweites Leipzig sozusagen, eine Festlegung darauf, das Geld des Staates zusammenzuhalten? Nein, die Bundeskanzlerin
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