Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
auf der gleichen Stufe stehen sollte wie eine Eselin oder ein Bleibarren.
»Monsieur Molines«, sagte sie freiheraus, »mein Vater hat mir von einer Heirat mit einem gewissen Grafen de Peyrac erzählt, die Ihr für mich arrangiert haben sollt. In Anbetracht des großen Einflusses, den Ihr im Laufe der vergangenen Jahre auf meinen Vater genommen habt, zweifle ich nicht daran, dass Ihr ebenso großen Wert auf diese Verbindung legt wie er, und das wiederum bedeutet, ich würde bei Euren geschäftlichen Aktivitäten eine bestimmte Rolle spielen. Ich wüsste gerne, welche das sein soll.«
Ein kühles Lächeln kräuselte die schmalen Lippen ihres Gegenübers.
»Ich danke dem Himmel dafür, dass ich Euch genau so wiedersehe, wie Ihr zu werden verspracht, als man Euch hierzulande noch die kleine Fee der Sümpfe nannte. Denn ich habe dem Grafen de Peyrac eine ebenso schöne wie kluge Frau versprochen.«
»Das war eine gewagte Zusage. Ich hätte hässlich und strohdumm werden können, und das hätte Eurem Ruf als Kuppler sehr geschadet!«
»Ich gebe nie Zusagen auf bloße Vermutungen hin. Bekannte
aus Poitiers haben mir mehrmals von Euch berichtet, und ich selbst hatte Gelegenheit, Euch im vergangenen Jahr bei einer Prozession zu sehen.«
»Ihr habt mich überwachen lassen«, rief Angélique wütend, »als wäre ich eine Melone, die unter einer schützenden Strohdecke vor sich hin reift!«
Gleichzeitig erschien ihr dieses Bild so komisch, dass sie vor Lachen losprustete und ihr Zorn verflog. Im Grunde war es ihr lieber, zu wissen, woran sie war, als wie ein naives junges Ding in die Falle zu tappen.
»Setzt Euch doch, Mademoiselle Angélique«, entgegnete daraufhin Molines. »Und trinkt einen Schluck Wein.«
Er selbst nahm ihr gegenüber Platz.
»Wenn ich versuchen würde, in der Sprache Eurer Welt zu reden«, sagte er ernst, »könnte ich mich hinter traditionellen Überlegungen verschanzen: Ein junges, sehr junges Mädchen sogar, braucht nicht zu wissen, warum seine Eltern diesen oder jenen Ehemann auswählen. Frauen haben mit Blei und Silber, Handel und Zöllen nichts zu schaffen, vor allem adlige Damen nicht... Und mit Viehzucht noch viel weniger. Aber ich glaube, Euch zu kennen, Angélique, und ich werde nicht so mit Euch reden. Ich bitte Euch... Trinkt doch einen Schluck.«
Aber Angélique hatte keine Lust, mit ihm auf gutes Einvernehmen zu trinken. Glaubte er etwa, er könne sie mit einem »Schluck Wein« und ein paar Kuchen dazu bringen, seine Planungen gutzuheißen?
»Ihr habt mich überwachen lassen!«, wiederholte sie ungehalten.
Auf Molines’ Zügen lag immer noch der gleiche rätselhafte Ausdruck. Er antwortete mit einem unmerklichen Schulterzucken, das diese Tatsache als unerheblich abtat.
»Das war vollkommen bedeutungslos«, sagte er, »aber... es ist besser so.«
Und sein Blick wurde weicher, als er das junge gerötete Gesicht betrachtete, dessen Züge ihre vollkommene Ebenmäßigkeit weder im Zorn noch im Ernst einbüßten. Er bemerkte die Lebhaftigkeit und Intelligenz in ihren Augen, die eine so ungewöhnliche Farbe besaßen. Das waren nicht nur, eingerahmt von ihrem lichten, etwas zerzausten Haar, die »hübschen Augen« eines heranwachsenden Mädchens an der Schwelle zu einer wunderschönen Frau. Sie verhießen mehr. Als er gesehen hatte, wie sie heranstürmte, ihr Pferd aus vollem Galopp heraus zum Stehen brachte, absprang und die Zügel dem herbeigelaufenen Diener zuwarf, hatte er gedacht: Sie ist noch ein Kind. Doch nun begann er sein Urteil zu überdenken.
Natürlich loderte in ihr noch immer das alte Ungestüm, doch inzwischen wurde es durch die raffinierten Rituale ihrer klösterlichen Erziehung beherrscht und gemäßigt. Die Jahre bei den Ursulinen hatten ihr gutgetan. Ihre Gesten und ihre Haltung hatten die Anmut, den Charme und den würdevollen Ernst gewonnen, die erforderlich waren, um in jeder Gesellschaft verkehren zu können. Aber ihre Persönlichkeit war lebendig und frei geblieben.
Er beschloss, offen zu ihr zu sein.
Verwundert erkannte Angélique, dass es auch für ihn ein wichtiger Moment war. Allmählich verdrängte die Neugier darauf, was er ihr zu sagen hatte, die Enttäuschung und den Ärger, die sie seit dem Vortag quälten. Sie war nicht schockiert über den vertraulicheren Ton, den ihre Unterhaltung annahm.
»Warum glaubt Ihr, mit mir anders reden zu können als mit meinem Vater?«
»Ich weiß nicht genau, wie ich das ausdrücken soll, Mademoiselle. Ich bin
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