Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
Angélique am schwachen Kuchenduft und der Regsamkeit und den leisen Stimmen in der großen Küche, dass Madame Molines ebenfalls zu Hause war und sicher gerade wie gewöhnlich ihre Küchenmädchen zur Seite schob, um ihren großen Obstkuchen selbst in den Ofen zu schieben. »Diese
jungen Dinger schaffen es einfach nicht, ihn in den Ofen zu stecken, ohne dabei den ganzen Obstsaft ins Feuer laufen zu lassen«, sagte sie immer.
Wenigstens hier fand sie ein paar Bilder der Vergangenheit wieder. Auf dem mit Bienenwachs polierten, glänzenden Holztisch standen zwei Kristallgläser und eine Karaffe mit dunklem rubinrot funkelndem Wein. Auf einem Steingutteller waren ein paar kleine Kuchen angerichtet.
»Meine Frau hat sich daran erinnert, dass Ihr sie gerne esst«, erklärte Molines.
Er blieb stehen, und zwar in der respektvollen Haltung, mit der er stets dem Baron de Sancé begegnete. Inzwischen gebührte sie auch ihr, denn sie war kein Kind mehr, und als Bürgerlicher war es seine Pflicht, sie ihrem adligen Stand entsprechend zu behandeln.
Aber auch Angélique setzte sich nicht hin, nachdem die ersten Begrüßungen ausgetauscht waren. In Erwartung ihres Gesprächs verschwendete sie keinen Gedanken an die Unterrichtsstunden, in denen man sie gelehrt hatte, wann sie sich »ihrem Rang gemäß« hinsetzen oder aufstehen müsse. Sie fragte sich, ob sie in Gegenwart des Verwalters des Marquis du Plessis-Bellière immer das Gefühl behalten würde, zehn Jahre alt zu sein...? Eine komische Vorstellung, die ein Lächeln auf ihre Lippen lockte.
Maître Molines griff nach der Karaffe und schenkte Wein in die beiden Gläser ein.
»Wein aus unseren Weinbergen... Aber ich möchte Euch empfehlen, noch ein wenig zu warten, ehe Ihr davon trinkt, Mademoiselle Angélique. Er ist sehr kühl, und Ihr seid bei dieser Hitze über die Maßen schnell galoppiert.«
»Ich wollte eben so schnell wie möglich mit Euch reden, Monsieur Molines.«
Molines verneigte sich tief, eine Hand auf sein Herz gelegt.
»Ich fühle mich sehr geehrt.«
Sie hörte, wie draußen Nicolas auf seinem Maultier angetrabt kam. Mit einem Mal ärgerte sie sich darüber, genau wie über Molines’ übertriebene Verbeugungen. Es war offensichtlich, dass er ihren Besuch erwartet hatte und dass dieser im Voraus mit ihrem Vater abgesprochen worden sein musste. Und das bedeutete, dass seine Argumente wohl bedacht und überzeugend sein würden. Es lag ein harter Kampf vor ihr. Aber Angélique wusste ebenfalls, was sie wollte... oder besser gesagt, was sie nicht wollte.
Sie nahm sich vor, sich in ihrer eigenen Heimat nicht einschüchtern zu lassen, weder durch die Veränderungen ringsum noch durch die in ihrem Inneren... Denn sie war älter geworden. Sie war kein Kind mehr. Und wenn es nötig sein würde, mit jemandem die Klingen zu kreuzen, war sie dazu bereit.
Beide schwiegen. Angélique ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, um wieder festen Fuß in der Gegenwart zu fassen.
Er hatte sie in das kleine Arbeitszimmer geführt, in dem er vor einigen Jahren auch ihren Vater empfangen hatte. Dort hatte der Maultierhandel seinen Anfang genommen, und plötzlich erinnerte sich das junge Mädchen an die zweideutige Antwort, die der Verwalter dem praktisch denkenden Kind damals auf seine Frage gegeben hatte:
»Und was bekomme ich?«
»Euch werden wir einen Ehemann geben.«
Hatte er damals schon eine Verbindung mit diesem seltsamen Grafen aus Toulouse im Sinn gehabt? Das war durchaus möglich, denn Molines war ein weitblickender Mann, der tausend Vorhaben miteinander verknüpfte. Tatsächlich war ihr der Verwalter des benachbarten Schlosses nicht unsympathisch. Seine etwas verschlagene Art hing mit seiner untergeordneten Stellung zusammen. Ein Diener, der wusste, dass er klüger war als seine Herren.
Für die Familie des verarmten Barons war sein Angebot einst ein wahrer Glücksfall gewesen, doch Angélique wusste, dass der Verwalter mit seiner großzügigen Unterstützung lediglich persönliche Interessen verfolgt hatte. Und das war ihr nur recht, denn es befreite sie von der demütigenden Vorstellung, ihm etwas zu schulden und ihm zu Dank verpflichtet zu sein. Trotzdem wunderte sie sich über die aufrichtige Sympathie, die ihr dieser berechnende Hugenotte einflößte.
Es liegt wohl daran, dass er dabei ist, etwas Neues und vielleicht auch Beständiges zu schaffen, dachte sie unvermittelt. Doch es fiel ihr schwer, sich damit abzufinden, dass sie in seinen Planungen
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