Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
Vorstellung zu gewöhnen...«
Sie spürte, wie in ihr die alte Nachsicht wieder erwachte, die sie ihrem Vater gegenüber stets empfunden hatte. Er wirkte so zuversichtlich und wie üblich erleichtert, alle weiteren Erklärungen Molines überlassen zu können.
Aber sie selbst fühlte sich zunehmend unwohl und verwirrt.
Unterdessen waren sie zu ihren Pferden zurückgekehrt. Angélique saß hastig auf, um der allzu eifrigen Hilfe von Nicolas zu entgehen, doch sie konnte nicht verhindern, dass die gebräunte Hand des Knechts über die ihre strich, als er ihr die Zügel reichte.
Das ist sehr unangenehm, dachte sie verärgert. Ich muss ihn unbedingt zurechtweisen.
Ihre Rückkehr nach Monteloup war enttäuschend.
Aber was hatte sie sich nach all den Jahren in der Klosterschule, in denen sie nie wirklich glücklich gewesen war, denn erhofft? Am Vortag hatte die Amme sie zur Begrüßung nicht so herzlich in die Arme geschlossen, wie sie erwartet hatte. Ihre Miene war ihr noch leidvoller erschienen als früher, wenn sie sich anschickte, eine ihrer furchterregenden Geschichten zu
erzählen. Doch dann hatte sie verstanden, dass Fantine Lozier sie schon lange nicht mehr zu »ihren« Kindern zählte.
Und natürlich war auch ihre Mutter nicht mehr da. War es die Abwesenheit der Baronin, die das Licht der Heimkehr für sie hatte verlöschen lassen...? Angélique wollte gerade ihrem Vater folgen, als sie plötzlich ihr Pferd zurückhielt.
An den Rändern der Hohlwege blühte der Weißdorn. Der liebliche Duft erinnerte sie an ihre Kindheit und besänftigte ihren Ärger ein wenig.
»Vater«, sagte sie unvermittelt, »wenn ich Euch recht verstehe, wünscht Ihr, dass ich in Bezug auf den Grafen de Peyrac rasch eine Entscheidung treffe. Mir ist gerade etwas eingefallen. Würdet Ihr mir erlauben, Molines zu besuchen? Ich möchte gerne mit ihm über das Ganze reden.«
Der Baron warf einen Blick auf die Sonne, um abzuschätzen, wie spät es war.
»Du hast noch eine Stunde bis Mittag. Ich glaube, es wäre ihm eine Freude, dich an seiner Tafel begrüßen zu dürfen. Geh nur, mein Kind. Nicolas wird dich begleiten.«
Angélique wollte diese Eskorte schon ablehnen, aber da sie nicht den Anschein erwecken wollte, dem Bauern auch nur die geringste Bedeutung beizumessen, winkte sie ihrem Vater zum Abschied fröhlich zu und galoppierte los. Der Knecht, der lediglich auf einem Maultier ritt, fiel bald zurück. Angélique ließ die Zügel locker, damit das Pferd so schnell laufen konnte, wie es wollte, was in den Hohlwegen unter dem frischen Blättergewirr nicht gerade ungefährlich war.
Sie musste sich darauf konzentrieren, nicht aus dem Sattel zu rutschen, und verbannte jeden Gedanken aus ihrem Kopf. Während ihres Galopps drang lediglich hin und wieder ein Schwall vom Duft des schneegleichen Weißdorns oder das gelegentliche Aufblitzen weißer und malvenfarbener Primeln in ihr Bewusstsein, die in Büscheln an den Seitenhhängen verstreut
wuchsen, als habe eine aufmerksame Gastgeberin sie dort verteilt... Vielleicht ja die immer gegenwärtige, treue Fee des Frühlings?
Warum köpfte ihr Vater vor lauter Freude darüber, einen Ehemann für sie gefunden zu haben, unschuldige Primeln?
Als Angélique eine halbe Stunde später am Tor von Schloss Plessis vorbeikam, beugte sie sich vor, um am Ende der Kastanienallee einen Blick auf die weiße Erscheinung zu erhaschen.
Philippe, dachte sie. Und wunderte sich, dass ihr dieser Name in den Sinn kam, um ihre Melancholie noch zu steigern. Außerdem hatte sie nicht vergessen, dass die strahlenden Schlossherren sie und ihren Vater an diesem Ort wegen ihrer Schlichtheit und Armut mit ihrem spöttischen Gelächter gedemütigt hatten, obwohl sie doch mit ihnen verwandt waren. Über den Wipfeln des dicht bewachsenen Parks blitzten die weißen Türmchen des Schlosses auf und waren gleich wieder verschwunden.
Hinter einer Wegbiegung tauchte das Haus des hugenottischen Verwalters auf. Aus roten Ziegeln erbaut, mit weißen Steinen eingefasst und mit Schiefer gedeckt, stand es fest und bescheiden da.
Maître Molines erschien auf der Schwelle. Erleichtert stellte Angélique fest, dass er sich überhaupt nicht verändert hatte.
Sie zügelte ihr schwer atmendes Pferd und sprang ab. Ein Diener rannte herbei, um ihr die Zügel abzunehmen und das Tier in den Stall zu bringen.
Als der Verwalter sie nach einer tiefen Verbeugung ins Innere des Hauses führte, wo ein erholsames Halbdunkel herrschte, erkannte
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