Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
kein Philosoph, und meine Ausbildung besteht im Wesentlichen aus langjähriger Arbeit. Verzeiht mir
meine Offenheit. Aber ich will Euch eines sagen. Die Menschen aus Eurer Welt werden niemals verstehen, was mich antreibt – es ist die Arbeit.«
»Die Bauern arbeiten noch sehr viel mehr, wie mir scheint.«
»Sie schinden sich, das ist nicht das Gleiche. Sie sind dumm, ungebildet und haben keine Ahnung davon, was in ihrem Interesse ist. Darin ähneln sie den Adligen, die im Gegensatz zu ihnen nicht einmal etwas produzieren. Adlige sind nutzlose Kreaturen, die zu nichts anderem zu gebrauchen sind, als zerstörerische Kriege zu führen. Euer Vater fängt an, etwas zu tun, aber, entschuldigt, Mademoiselle, das Wesen der Arbeit wird er nie verstehen! Für ihn wird sie immer gleichbedeutend sein mit dem Verlust seiner Ehre...«
»Ihr glaubt also, dass er nie Erfolg haben wird?«, fragte sie bestürzt und mit kummervollem Herzen. »Aber ich dachte, seine Geschäfte liefen gut, und der Beweis dafür wäre, dass Ihr Euch daran beteiligt habt.«
»Der erste Beweis dafür wäre, wenn wir mehrere Hundert Maultiere pro Jahr verkauften, und der zweite und entscheidende Beweis wäre ein deutlicher und jährlich steigender Gewinn. Nur daran erkennt man ein gut gehendes Geschäft.«
»Aber ist es nicht das, was wir eines Tages erreichen werden?«
»Nein, denn eine Viehzucht, selbst eine bedeutende Zucht mit finanziellen Rücklagen für schwierige Zeiten, Krankheiten etwa oder Kriege, bleibt trotzdem immer nur eine Viehzucht. Und das ist, genau wie die Landwirtschaft, ein sehr langwieriges und kaum lohnendes Unterfangen. Weder Äcker noch Vieh haben die Menschen jemals reich gemacht. Denkt nur an die riesigen Herden der Hirten in der Bibel, deren Leben trotzdem karg war.«
»Wenn Ihr tatsächlich von dem überzeugt seid, was Ihr sagt, Monsieur Molines, dann verstehe ich nicht, warum Ihr Euch
dennoch in ein so langwieriges und kaum lohnendes Geschäft gestürzt habt.«
»Genau das, Mademoiselle, ist der Grund, warum Euer Vater und ich Euch brauchen.«
»Ich kann Eure Stuten doch auch nicht dazu bringen, ihre Fohlen doppelt so schnell auszutragen.«
»Aber Ihr könnt uns helfen, die Einkünfte zu verdoppeln.«
»Ich wüsste beim besten Willen nicht, wie.«
»Das werdet Ihr gleich verstehen. Der entscheidende Faktor bei einem einträglichen Geschäft ist Schnelligkeit, und da wir die Gesetze Gottes nun einmal nicht ändern können, müssen wir wohl oder übel die Schwäche des menschlichen Geistes ausnutzen. Die Maultiere bilden nur die Fassade unseres eigentlichen Handels. Sie decken die laufenden Kosten und verschaffen uns beste Beziehungen zur Militärintendanz, der wir Leder und Tiere verkaufen.
Vor allem aber bieten sie uns die Möglichkeit, schwer beladene Wagenzüge auf die Straßen zu schicken, ohne dafür Zölle und Wegegeld zahlen zu müssen. So transportieren unsere Maultiere Blei und Silber nach England, und auf dem Rückweg bringen sie säckeweise schwarze Schlacke zurück, die wir als ›Fluss‹ bezeichnen und die für die Arbeiten in der Mine benötigt wird. In Wahrheit aber handelt es sich um getarntes Gold und Silber, das über London aus Spanien hergeschafft wird.«
»Ich kann Euch nicht mehr folgen, Molines. Warum schickt Ihr Silber nach London, um anschließend wieder Silber hierher zurückzuholen?«
»Weil ich doppelt oder dreimal so viel davon zurückhole. Und was das Gold betrifft, Graf Joffrey de Peyrac besitzt im Languedoc ein Goldvorkommen. Wenn die Mine von Argentières erst einmal ihm gehört, werden die Tauschgeschäfte, die ich für ihn mit diesen beiden Edelmetallen betreibe, vollkommen
unverdächtig erscheinen, da sowohl das Gold als auch das Silber offiziell aus den beiden Minen in seinem Besitz stammt. Und das ist unser eigentliches Geschäft.
Denn Ihr müsst wissen, dass die Menge an Gold und Silber, die wir hier in Frankreich fördern, kaum der Rede wert ist. Im Gegenzug können wir jedoch unbehelligt von den Steuerbehörden oder Zolleinnehmern große Mengen an spanischem Gold und Silber einführen. Die Barren, die ich den Geldwechslern vorlege, reden nicht. Sie können nicht beichten, dass sie weder aus Argentières noch aus dem Languedoc kommen, sondern nach einem Umweg über London in Wahrheit aus Spanien stammen. So können wir der königlichen Schatzkammer einen legalen Gewinn angeben und gleichzeitig unter dem Deckmantel der Erzförderung große Mengen an Edelmetallen
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