Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
Begehren betrachtet hatte. Auch er war schön. Ungeduldig schüttelte Angélique bei dieser Erinnerung den Kopf, und ihr Haar fiel wie ein goldener Umhang über ihre Schultern. Sie war schön, das sagte man ihr oft genug. Und weil sie schön war, konnte sie ihre Familie retten. Erneut erfüllte sie dieser Gedanke mit Stolz. Stolz, in den sich leise Furcht mischte. Aber auch eine gewisse Freude, weil sie sie liebte. Doch das alles beherrschende Gefühl war ein Aufbegehren... und es war so stark, dass sie am liebsten geflohen wäre.
Fantine kam mit einer Flut von Seide in allen nur erdenklichen Grüntönen über dem Arm herein.
»Hier ist das Kleid für deine Eheschließung!«
Die Amme hatte schon immer einen Sinn für das passende Wort gehabt! Eheschließung! Das entsprach ganz genau dieser Zeremonie, die nur dazu diente, offizielle Verbindungen zu schließen und die Unterzeichnung von Verträgen zu sichern. Die Segnung zweier unechter Brautleute wäre schnell vorüber, vollzogen durch den Dorfpfarrer, vor nicht mehr Publikum
als der Familie und den Zeugen. Doch wenn Angélique sich danach hinsetzte, um beim Bankett den Ehrenplatz einzunehmen, wäre sie die Gräfin de Peyrac.
Fantine reichte ihr das türkisfarbene Mieder und befestigte den juwelenbesetzten Brusteinsatz.
»Du bist so schön! Oh, wie schön du bist, mein Liebes!«, seufzte sie bekümmert. »Dein Busen ist so fest, dass er dieses ganze Fischbein gar nicht braucht. Pass auf, dass ihn der Brusteinsatz nicht zu sehr zusammendrückt. Lass deine Brüste schön frei.«
»Ist das Dekolleté auch nicht zu tief, Nounou?«
»Eine hohe Dame muss ihre Brüste zeigen. Oh, wie schön du bist! Und für wen bloß, Gott im Himmel!«, fügte sie mit erstickter Stimme hinzu.
Angélique sah, dass der herzlichen Poitevinerin Tränen über die Wangen liefen.
»Nicht weinen, Nounou, dann verlässt mich noch der letzte Mut.«
»Den wirst du brauchen, mein armes Ding! Halt den Kopf ein wenig tiefer, damit ich dir die Halskette umlegen kann. Die Perlen in deinen Haaren überlassen wir Margot, von diesem Gewickel verstehe ich nichts! Ach, mein armes Mädchen, das ist alles so schrecklich! Wenn ich nur daran denke, dass diese elende Bohnenstange, die hundert Schritt gegen den Wind nach Knoblauch und Teufel riecht, dich am Vorabend deiner Hochzeit baden und enthaaren wird! Ach je, wie furchtbar!«
Sie kniete nieder, um die Schleppe des Manteaus zu richten, und Angélique hörte sie schluchzen.
Eine solche Verzweiflung hatte sie bei ihrer Amme nicht erwartet. Fantine Lozier hatte sich in der Vergangenheit immer gefreut, wenn irgendwo eine schöne Hochzeit angekündigt wurde, und die Angst, die Angéliques Herz umklammert hielt, wurde durch diese Reaktion nur umso größer.
»Verzeih mir, mein Kind«, murmelte Fantine Lozier immer noch kniend, »dass ich dich nicht davor beschützen konnte, obwohl ich dich mit meiner Milch genährt habe. Aber ich habe in den letzten Tagen so viel über diesen Mann gehört, dass ich nachts kaum noch ein Auge zutun kann.«
»Was erzählt man denn über ihn?«
Die Amme richtete sich auf. Ihr dunkler, starrer Blick war wieder der einer Prophetin.
»Gold! Sein ganzes Schloss ist angefüllt mit Gold...!«
»Gold zu besitzen ist doch keine Sünde, Nounou. Sieh nur die vielen Geschenke, die er mir geschickt hat. Sie sind so herrlich.«
»Täusch dich nicht, mein Kind. Dieses Gold ist verflucht. Er erschafft es mit seinen Destillierkolben und seinen Zaubertränken. Henrico, dieser Page, der so hübsch auf dem Tamburin spielt, hat mir erzählt, dass es in seinem blutroten Palast in Toulouse ein Gebäude gibt, das niemand betreten darf. Der Eingang wird von einem Mann bewacht, der genauso schwarz ist wie der Boden meiner großen Kessel. Als dieser Wächter eines Tages kurz fortgegangen war, hat Henrico durch den Türspalt einen großen Raum voller Glaskugeln, Destillierkolben und Schläuchen gesehen. Überall pfiff und brodelte es! Und plötzlich gab es eine Flamme, und es hallte wie ein Donnerschlag. Daraufhin ist er weggelaufen.«
»Dieser Junge hat eine blühende Fantasie, das heißt es doch von allen Leuten aus dem Süden.«
»Nein, nein! In seiner Stimme lag aufrichtiges Entsetzen, das kann nicht täuschen. O dieser Graf de Peyrac hat einen Pakt mit dem Leibhaftigen geschlossen, um zu Macht und Reichtum zu gelangen. Ein Gilles de Retz, das ist er, ein Gilles de Retz, der nicht einmal aus dem Poitou stammt!«
»Rede keinen Unsinn«,
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