Angélique - Hochzeit wider Willen
heimlich vor Tränen, denn er hatte sich unsterblich in eine Freundin aus Kindertagen verliebt, die dunkelhaarige Marie Mancini, eine Nichte des Kardinals.
Wahrhaftig, bei diesem schwierigen Unterfangen, Europa eine Ära des Friedens zu bescheren, türmten sich die Widerstände nur so auf.
Ausgerechnet auf der Reise nach Lyon hatten die beiden
jungen Leute einander ihre Liebe gestanden. Dabei kannte der König Marie Mancini, die jüngste unter den vielen Nichten des Kardinals, schon lange; doch er hatte einst ihrer Schwester Olympia den Vorzug gegeben und sie sogar zu seiner Mätresse gemacht.
Aber als er aus Calais zurückkehrte, wo er fast an einer geheimnisvollen Krankheit gestorben wäre, hatte Ludwig XIV. erfahren, dass Olympia, die sich vor kurzem mit dem Grafen de Soissons vermählt hatte, nur Gleichgültigkeit an den Tag gelegt hatte, während Marie sich die Augen um ihn ausgeweint hatte. Zum ersten Mal begegnete er einer Frau, die ihn inbrünstig liebte und diesem Gefühl durch aufrichtige Worte und beredte Augen Ausdruck verlieh. In Lyon dann war nach und nach im Verlauf der Festlichkeiten, die anlässlich des vorgeblichen Heiratsansinnens an die Prinzessin von Savoyen ausgerichtet wurden, zwischen ihnen das Feuer einer leidenschaftlichen Liebe aufgelodert, als wollten die Götter aufzeigen, wie gefährlich es ist, mit Allianzen zu spielen, bei denen das Schicksal ganzer Nationen von der Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau abhängt, ohne dass dabei die Liebe eine Rolle spielt.
Und Mazarin hatte zusätzlich zu seinen Sorgen als Unterhändler noch die Aufgabe, die Fäden dieser Leidenschaft zu lösen, die alle Bemühungen seiner genialen Diplomatie zum Scheitern zu bringen drohte. Denn dieser zwanzigjährige König hieß Ludwig XIV. und wollte Marie Mancini heiraten und sie zur Königin Frankreichs krönen.
Doch dem stand die Staatsräson entgegen. Und in diesem Fall zeigte Kardinal Giulio Mazarini auf sehr augenfällige Weise, dass für ihn der Ruhm seines königlichen Schülers und das Wohl des Königreichs über alles gingen.
Er wollte Frieden. Für Frankreich, für Europa und für die Welt!
Und wenn die Intrigen, die der Italiener seit Jahren gesponnen
hatte, Erfolg haben sollten, dann hieß es: Jetzt oder nie! Unbarmherzig schob er seine Nichte beiseite, und Ludwig XIV. begehrte zwar auf, beugte sich aber schließlich. Er würde die Infantin heiraten.
Nun war es so weit.
In Frankreich verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer.
Unter einer Prachtentfaltung, die die Welt erzittern ließ, begab sich der Kardinal zu einer Insel im Bidassoa-Fluss im Baskenland, um dort mit den Spaniern über den Frieden zu verhandeln.
Also würde der ewige Krieg ein Ende nehmen, der jedes Jahr zusammen mit den Frühlingsblumen wiederkehrte. Doch mehr noch als diese so heiß ersehnte Nachricht erfüllte ein unglaublicher Plan sogar den einfachsten Handwerker des Königreichs mit Freude: Als Pfand für den Frieden stimmte das stolze Spanien zu, dem jungen König von Frankreich seine Infantin als Gattin zuzuführen. Und trotz Vorbehalten und eifersüchtiger Blicke blähte auf beiden Seiten der Pyrenäen jedermann stolz die Brust, denn so wie Europa heute dastand – mit einem England, das sich in Aufruhr befand, den kleinen deutschen und italienischen Fürstentümern und den bürgerlichen Völkern, die man »Seefahrer-Nationen« nannte, nämlich den Flamen und Holländern -, waren einzig diese beiden Königskinder einander ebenbürtig.
Der Kardinal näherte sich mit acht Kutschen für seine eigene Person sowie zehn Wagen für sein Gepäck, vierundzwanzig Maultieren, einhundertfünfzig livrierten Dienern, hundert Reitern und zweihundert Infanteristen den smaragdgrünen Ufern von Saint-Jean-de-Luz am Atlantischen Ozean.
Unterwegs forderte er die Erzbischöfe von Bayonne und
Toulouse auf, ihn mit ihrem gesamten Gefolge zu begleiten, damit die Delegation noch beeindruckender ausfiel.
Währenddessen durchquerte auf der anderen Seite des Gebirges Don Luis de Haro, der Repräsentant Seiner Allerkatholischsten Majestät, der einem solchen Prunk stolze Schlichtheit entgegensetzte, die Hochebene von Kastilien und führte in seinen Reisetruhen nichts als Tapisserien mit sich, deren Szenen daran erinnerten, wem von Rechts wegen der Ruhm des alten Reichs Karls V. zustand.
Niemand legte große Eile an den Tag, denn keiner der beiden Diplomaten mochte als Erster ans Ziel kommen und sich der Demütigung
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