Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Angélique - Hochzeit wider Willen

Titel: Angélique - Hochzeit wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
Vom Netzwerk:
Weinberge.
    Angélique setzte sich auf den Rand des Diwans und drückte die Stirn an die Balustrade. Ihre komplizierte, von zahlreichen diamant- und perlenbesetzten Nadeln zusammengehaltene Frisur störte sie. Nicht ohne Mühe begann sie, ihr Haar zu lösen.
    Warum hat diese dumme Person mir nicht das Haar gekämmt und mich ausgekleidet?, dachte sie. Hat sie etwa geglaubt, mein Gatte würde das übernehmen?
     
    Zynisch und betrübt lachte sie auf.
    Mutter Sainte-Anne würde mir jetzt gewiss eine kleine Predigt über die Fügsamkeit halten, die man gegenüber allen Wünschen seines Gatten an den Tag zu legen hat. Und wenn sie ›alle‹ sagte, rollte sie die Augen wie Murmeln und wir platzten vor Lachen heraus, weil wir genau wussten, woran sie dachte. Aber ich habe keine Begabung zum Gehorsam. Molines hatte recht, als er sagte, dass ich mich keiner Sache beuge, die ich nicht verstehe. Ich habe gehorcht, um Monteloup zu retten. Was will man jetzt noch von mir? Die Miene in Argentières gehört dem Grafen de Peyrac. Er und Molines können ihren
Schmuggel fortsetzen. Und mein Vater kann weiter Maultiere züchten, damit sie das spanische Gold tragen... Nichts wird sich ändern, wenn ich mich von diesem Balkon stürze und sterbe. Dann hat jeder, was er wollte …
    Endlich war es ihr gelungen, ihr Haar zu entwirren. Es fiel auf ihre nackten Schultern, und sie schüttelte es heftig, so wie sie es als Kind getan hatte.
     
    Plötzlich glaubte sie, ein Geräusch zu hören. Sie wandte sich um und unterdrückte einen Entsetzensschrei. Da stand, an den Rahmen der Glastür gelehnt, der Hinkende und sah sie an.
     
    Er trug seinen roten Anzug nicht mehr, sondern er hatte sich in Kniehosen und ein sehr knappes Wams aus schwarzem Samt gekleidet, das die Taille und die Ärmel eines Hemds aus feinem Leinen frei ließ.
     
    Hinkend kam er näher und verneigte sich tief.
    »Erlaubt Ihr, dass ich neben Euch Platz nehme, Madame?«
     
    Schweigend nickte sie. Er setzte sich, stützte sich mit dem Ellbogen auf die Steinlehne und sah gelassen vor sich hin.
    »Vor mehreren hundert Jahren«, sagte er, »sind unter denselben Sternen Damen und Troubadoure auf die Wehrgänge der Schlösser gestiegen, in denen die Minnehöfe stattfanden. Habt Ihr von den Troubadouren des Languedoc gehört?«
    Mit dieser Art von Unterhaltung hatte Angélique nicht gerechnet. Wegen ihrer angespannten Abwehr war sie so verkrampft, dass sie nur mit Mühe eine Antwort stottern konnte.
    »Ja, ich glaube... So nannte man im Mittelalter die Dichter.«
    »Die Dichter der Liebe. Langue d’oc! Die weiche Sprache, so anders als das raue Idiom des Nordens, die Langue d’oïl.
In Aquitanien erlernte man die Kunst des Liebens, denn wie schon Ovid lange vor den Troubadouren sagte‚ ist die Liebe eine Kunst, die man lehren und in der man sich vervollkommnen kann, indem man ihre Gesetze studiert. Interessiert Ihr Euch für diese Kunst, Madame?«
    Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte; sie war empfindsam genug, die leise Ironie in seiner Stimme wahrzunehmen. So, wie er die Frage gestellt hatte, wären ein Ja oder ein Nein gleichermaßen albern gewesen. Sie war an solche Wortgeplänkel nicht gewöhnt. Von der Überfülle der Ereignisse war sie wie benommen, und ihre Schlagfertigkeit ließ sie im Stich. Ihr fiel nichts anderes ein, als den Kopf abzuwenden und blicklos über die schlafende Landschaft hinauszusehen.
    Obwohl sie bemerkte, dass der Mann näher an sie herangerückt war, rührte sie sich nicht.
    »Schaut«, ergriff er wieder das Wort, »dort im Garten, dieser kleine Teich mit dem grünen Wasser, in das der Mond eintaucht wie ein Krötenstein in ein Glas Anis... nun, dieses Wasser hat die gleiche Farbe wie Eure Augen, meine Kleine. Niemals, auf der ganzen Welt nicht, habe ich je so seltsame und so verführerische Augen gesehen. Und seht diese Rosen, die an unserem Balkon ranken. Sie haben den gleichen Ton wie Eure Lippen. Nein, wahrhaftig, noch nie habe ich so rosige … und so verschlossene Lippen gesehen. Was ihre Süße angeht … davon werde ich mich überzeugen.«
     
    Mit einem Mal hatten zwei Hände sie um die Taille gefasst. Angélique fühlte sich von einer Kraft, die sie diesem hoch aufgeschossenen, mageren Mann nicht zugetraut hätte, nach hinten gebeugt. Um ihren Hals schlang sich ein Arm, dessen fester Druck sie lähmte. Das furchterregende Gesicht hing so tief über ihr, dass es sie streifte. Entsetzt schrie sie auf, und von
Abscheu ergriffen

Weitere Kostenlose Bücher