Angélique - Hochzeit wider Willen
Körper die Geschmeidigkeit eines Artisten angenommen zu haben. Als er vor dem Chevalier de Germontaz stand, setzte er ihm die Spitze seiner Klinge auf den Bauch.
»Wehr dich«, sagte er einfach.
Der andere zog in einem seiner militärischen Ausbildung entstammenden Reflex ebenfalls das Schwert, und die beiden kreuzten die Klingen. Einige Augenblicke lang kämpften sie heftig gegeneinander und kamen sich so nahe, dass die Körbe ihrer Waffen aneinanderstießen und die Duellanten einander aus wenigen Zollbreit Entfernung ins Gesicht sahen.
Doch jedes Mal machte der Graf de Peyrac sich energisch frei. Mit seiner Schnelligkeit glich er die Behinderung durch sein lahmes Bein aus. Als Germontaz ihn auf der Treppe so stark bedrängte, dass er ihn zwang, mehrere Stufen nach oben auszuweichen, sprang er mit einem Mal über die Balustrade und landete hinter ihm, und der Chevalier hatte gerade noch Zeit, herumzufahren und sich ihm von Neuem zu stellen. Der Jüngere ermüdete rasch. Er war mit allen Feinheiten der Fechtkunst vertraut, doch dieses allzu rasche Geplänkel verwirrte ihn. Das Schwert des Grafen riss seinen rechten Hemdsärmel auf und verwundete ihn am Arm. Die Wunde war nur oberflächlich, blutete aber stark; rasch wurde sein rechter Arm, mit dem er die Waffe führte, taub. Dem Chevalier fiel der Kampf immer schwerer. Panik trat in seine großen, hervorquellenden Augen. In denen von Joffrey de Peyrac dagegen glühten ein dunkles Feuer und keine Spur von Vergebung. Angélique las darin das Todesurteil für seinen Gegner.
Sie biss sich auf die Lippen, bis sie vor Schmerz aufschrie, wagte jedoch nicht sich zu rühren. Mit einem Mal schloss sie die Augen. Sie hörte eine Art dumpfen, tiefen Schrei wie das angestrengte Stöhnen eines Holzfällers.
Als sie wieder hinschaute, sah sie, dass der Chevalier de Germontaz der Länge nach auf dem Mosaikboden lag und das Heft eines Schwertes aus seiner Seite ragte. Der große Hinkefuß aus dem Languedoc beugte sich lächelnd über ihn.
»Komödien und Geziertheiten!«, meinte er leise.
Er griff nach dem Heft der Waffe und zog schwungvoll daran. Eine Flüssigkeit spritzte mit einem leisen Geräusch hervor, und Angélique sah Blutflecken auf ihrem weißen Kleid. Ihre Knie gaben nach, und sie musste sich gegen die Wand lehnen.
Joffrey de Peyrac wandte ihr das Gesicht zu. Es war schweißüberströmt, und unter seinem roten Samtanzug sah sie, dass seine schlanke Brust sich hob und senkte wie ein Blasebalg. Sie stürzte auf ihn zu, berührte ihn, umschlang ihn verzweifelt. Sie musste sich davon überzeugen, dass er wirklich lebte und nicht verletzt war.
Er schaute auf sie hinunter. Langsam trat ein Lächeln auf seine Lippen, als er in ihren grünen Augen, die zu ihm aufblickten, die Gefühle erkannte, die sie überwältigten.
»Komm«, sagte er gebieterisch.
Langsam folgte das Pferd dem Flussufer und wirbelte auf dem schmalen, gewundenen Weg den Sand auf. In einiger Entfernung wachten drei bewaffnete Lakaien über ihren Herrn, doch Angélique bemerkte sie gar nicht. Ihr war, als wäre sie unter dem Sternenhimmel vollkommen allein, allein in den Armen Joffrey de Peyracs, der sie vor sich in den Sattel gesetzt hatte und mit ihr zu dem Lustschlösschen an der Garonne ritt, wo sie ihre erste Liebesnacht verbringen würden.
Er trieb die Stute nicht an, sondern hielt die Zügel locker in einer Hand, während er mit dem anderen Arm die junge Frau an sich drückte. In ihrem Zustand glücklicher Hingabe spürte sie
von Neuem die überwältigende Kraft, mit der er an einem gewissen Abend versucht hatte, ihre Abneigung zu überwinden und ihr einen verbotenen Kuss zu rauben. Doch all das lag lange zurück und kam ihr unwirklich vor. Jetzt war die richtige Zeit gekommen. Während sie sich rückhaltlos an ihn schmiegte, verbarg er sein Gesicht in dem raschelnden Samt seines Anzugs.
Er sah sie nicht an, sondern betrachtete stattdessen das strudelnde Gewässer. Mit halb geöffneten Lippen summte er ein Lied in der alten Sprache, dessen Worte sie kannte.
So wie der Jäger endlich seine Beute heimträgt... so bringe ich meine Liebste nach Hause, besiegt und willig meinem Begehren.
Das Licht des Mondes erhellte seine kühnen Züge.
Er hat die schönsten Augen, dachte Angélique, die schönsten Zähne und das schönste Haar der Welt. Die weichste Haut, die schönsten Hände... Wie konnte ich ihn nur jemals abstoßend finden? Ist das also die Liebe? Der Zauber der
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