Angélique - Hochzeit wider Willen
jungen Frauen durch Gesänge an. Aus der Ferne hatte das so schrecklich geklungen, und von Nahem war es so wunderbar. Sie ging zur Treppe und sagte sich, dass sie vor der Versuchung floh. Doch sofort kam ihr der Gedanke, dass dieser Mann vor Gott ihr Ehegatte war, und sie schüttelte verzweifelt den Kopf. Sie war verwirrt und ängstlich. Da sie streng erzogen worden war, scheute sie vor einem allzu freien Leben zurück. Sie entstammte einer Zeit, in der man jede Schwäche mit Gewissensbissen und Skrupeln bezahlte.
Eine Frau, die heute Nacht seufzend in die Arme ihres Geliebten sank, würde morgen in die Kirche laufen und tränenüberströmt in einem Beichtstuhl verzweifeln, würde nach den Gittern eines Klosters und nach dem Schleier verlangen, um ihre Sünden zu büßen. Angélique spürte genau, dass Joffrey de Peyrac sie nicht zur Ehe zwingen, sondern sie verführen wollte, ihn zu lieben.
Wenn sie mit einem anderen verheiratet gewesen wäre, hätte er genauso gehandelt, um sein Ziel zu erreichen. Er besaß einfach keine Moral. Hatte die Amme nicht doch recht gehabt, als sie sagte, dieser Mann stehe in den Diensten des Teufels?
Der parfümierte Hauch, der aus dem Park herandrang,
mischte seine berauschende Wirkung mit der des Weins. Sie hatte noch Durst, schrecklichen Durst.
Als sie die große Treppe hinunterstieg, begegnete sie einem eng umschlungenen Paar. Die Frau flüsterte sehr schnell vor sich hin, sodass es wie ein kleines, klagendes Gebet klang. In diesem Palast voller Seufzer irrte Angélique in ihrem weißen Kleid durch den Park. Sie erblickte Cerbalaud, der, ebenfalls allein, die Wege entlangschritt und zweifellos über die Worte nachdachte, die er seiner übermäßig prüden Freundin sagen würde.
Armer Cerbalaud! Wird er wohl seiner Liebsten treu bleiben, oder wird er sie für ein weniger grausames Mädchen verlassen?
Unsicheren Schrittes kam der Chevalier de Germontaz ebenfalls die Treppe herunter. Schnaubend blieb er in Angéliques Nähe stehen.
»Die Pest über diese Komödien und Geziertheiten der Leute aus dem Süden! Meine kleine Freundin, die bis jetzt ganz willig war, hat mir soeben eine Ohrfeige versetzt. Anscheinend bin ich ihr nicht mehr zartfühlend genug.«
»Ihr habt wohl die Wahl zwischen zweierlei Gebaren, dem eines Schwerenöters und dem eines Kirchenmannes. Euer Leiden ist vielleicht, dass Ihr noch nicht recht entschieden habt, welches von beidem Eure Berufung ist.«
Mit hochrotem Kopf trat er auf sie zu, und sein weingeschwängerter Atem traf sie mitten ins Gesicht.
»Woran ich leide, ist, dass ich mich von kleinen Zierpüppchen wie Euch vorführen lassen muss wie ein Stier in der Arena. Dies ist meine Art, mit Frauen umzugehen.«
Ehe sie eine Bewegung zu ihrer Verteidigung vollführen konnte, hatte er sie grob ergriffen und drückte seine feuchten, dicken Lippen auf ihren Mund. Voller Ekel wehrte sie sich,
doch er hielt sie fest gepackt. Sie spürte seine fleischigen Finger, die am Ausschnitt ihres Mieders herumtasteten, und hatte das Gefühl, Schnecken kröchen über ihre Haut. Brutal zerrte er an der Spitze, und der Seidenstoff zerriss.
»Monsieur de Germontaz«, sagte jemand.
Erschrocken erblickte Angélique oben auf der Treppe die rote Gestalt des Grafen de Peyrac. Er griff nach seiner Maske und warf sie hinter sich. Sie sah in sein Gesicht, das, wenn er seine entstellten Züge bewusst zusammenzog, so furchtbar wirkte, dass selbst der abgebrühteste Mann zu zittern begann. Sehr langsam, indem er sein Hinken betonte, kam er die Treppe herab. Als er die letzte Stufe erreicht hatte, blitzte es auf, denn er hatte sein Schwert gezogen.
Germontaz war leicht schwankend zurückgezuckt. Hinter Joffrey de Peyrac kamen Bernard d’Andijos und Monsieur de Castel-Jalon herunter. Der Neffe des Erzbischofs warf einen Blick in Richtung Park und sah, dass Cerbalaud nähergetreten war. Er schnaubte laut.
»Das... das ist eine Falle«, stammelte er, »Ihr wollt mich töten!«
»Die Falle hast du dir selbst gestellt, Mistkerl!«, erwiderte Andijos. »Wer hat dir erlaubt, die Gattin deines Gastgebers zu belästigen?«
Zitternd versuchte Angélique, ihr zerrissenes Mieder über ihrer Brust zusammenzuhalten. Das war doch nicht möglich! Sie durften sich nicht schlagen! Sie musste eingreifen... Gegen diesen großen Burschen in der Blüte seiner Jahre riskierte Joffrey den Tod!
Joffrey de Peyrac trat näher, und mit einem Mal schien sein
langer, verwachsener
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