Angélique - Hochzeit wider Willen
weitersagen. Zweifellos wird er am nächsten Sonntag vor der vollbesetzten Kathedrale darauf zurückkommen.«
»Meine Worte sind von menschlicher Weisheit. Die Liebe ist die Feindin der Unmäßigkeit. Wie beim guten Essen sollten wir auch hier die Qualität über die Quantität setzen. Die Grenze des Vergnügens ist da erreicht, wo die Mühsal und der Ekel der Zügellosigkeit beginnen. Ist ein Mann, der frisst wie ein Schwein und säuft wie ein Loch, in der Lage, einen kunstvollen Kuss zu genießen?«
»Soll ich mich etwa in dieser Beschreibung wiedererkennen?«, murrte der Chevalier de Germontaz mit vollem Mund.
Angélique dachte, wenigstens habe er keinen schlechten Charakter. Doch warum schien Joffrey ihn grundlos zu reizen? Dabei war er sich durchaus im Klaren über die Gefahr, die dieser unangenehme Mensch darstellte.
»Der Erzbischof schickt uns seinen Neffen, damit er uns ausspäht«, hatte er ihr am Vorabend des Festes erklärt.
»Wir haben einander den Krieg erklärt«, hatte er leichthin hinzugefügt.
»Was ist geschehen?«
»Nichts. Aber der Erzbischof will das Geheimnis meines Reichtums ergründen und, wenn ihm das nicht gelingt, wenigstens mein Vermögen an sich bringen. Er wird mich nicht mehr aus den Klauen lassen.«
»Werdet Ihr Euch wehren, Joffrey?«
»Nach besten Kräften. Doch leider ist der Mann noch nicht geboren, der die menschliche Dummheit besiegen kann.«
Die Diener hatten die Teller abgetragen. Acht kleine Pagen, von denen einige Rosenkörbe und andere Obstpyramiden in Händen hielten, traten ein. Vor jeden Gast wurden Teller mit Gewürzpastillen und diversem Konfekt hingestellt.
»Es beruhigt mich, Euch in so einfachen Worten über die fleischliche Liebe sprechen zu hören«, meinte der junge Cerbalaud. »Stellt Euch vor, ich bin unsterblich verliebt und dennoch allein in dieser Versammlung. Ich glaube nicht, dass ich es in meinen Liebeserklärungen an Inbrunst habe fehlen lassen, und, ganz ohne Prahlerei, ich hatte manchmal den Eindruck, dass meine Glut Widerhall fand. Aber, o weh, meine Freundin ist prüde. Wage ich eine kühne Geste, finde ich mich sogleich mehrere Tage lang grausamen Blicken und großer Kälte ausgesetzt. Seit Monaten schon drehe ich mich in diesem Teufelskreis: Ich will sie erobern und ihr meine Leidenschaft beweisen; doch jedes Mal, wenn ich es versuche, verliere ich sie aufs Neue!«
Alle amüsierten sich über Cerbalauds Missgeschick. Eine Dame zog ihn energisch in die Arme und küsste ihn auf den Mund. Als das Stimmengewirr sich ein wenig gelegt hatte, ergriff Joffrey de Peyrac begütigend das Wort.
»Übe dich in Geduld, Cerbalaud, und denke daran, dass es gerade die spröden Mädchen sind, welche die allergrößte Lust erreichen. Doch sie bedürfen eines geschickten Liebhabers, um ihre inneren Skrupel aufzulösen, die sie dazu bringen, Liebe und Sünde zu verwechseln. Und misstraue auch den jungen Damen, die zu oft Liebe und Ehe durcheinanderbringen. Jetzt will ich dir einige Grundregeln aufsagen: Wenn du dich den Vergnügungen der Liebe hingibst, überschreite nie das Begehren der Geliebten; übe stets eine gewisse zarte Zurückhaltung, ganz gleich, ob du Liebeslust schenkst oder empfängst. Und
dieses noch: Sei stets aufmerksam gegenüber den Wünschen der Damen.«
»Ich finde, dass Ihr den Frauen zu viel Macht zugesteht«, wandte ein Edelmann ein, der sich für seine Worte allerhand Schläge mit dem Fächer einhandelte. »So, wie Ihr es darstellt, müsste man ständig zu ihren Füßen sterben.«
»Aber das ist doch ganz richtig so«, ließ sich Bernard d’Andijos’ Mätresse vernehmen. »Wisst Ihr, wie wir Preziösen in Paris die jungen Leute nennen, die uns den Hof machen? ›Sterbende Kavaliere‹.«
»Ich will aber nicht sterben«, meinte Andijos mit düsterer Miene. »Sterben sollen meine Rivalen.«
»Soll man den Damen also all ihre Launen durchgehen lassen?«
»Selbstverständlich.«
»Und sie verachten uns dafür...«
»Betrügen uns...«
»Soll man sich denn damit abfinden, betrogen zu werden?«
»Sicherlich nicht«, gab Joffrey de Peyrac zurück. »Duelliert euch, Messieurs, und tötet eure Rivalen. Wer nicht eifersüchtig ist, kann nicht lieben. Oder auch: Ein wenig Eifersucht steigert die Leidenschaft! «
»Dieser teuflische Chapelain hat wirklich an alles gedacht!«
Angélique führte ihr Glas an die Lippen. Ihr Blut floss schneller, und sie begann zu lachen. Sie liebte diese Tischgespräche unter den
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